Neue Daten zeigen: Die Verteilung von Lithium im Gehirn scheint stark zu variieren, wenn man Gehirne von depressiven und gesunden Menschen vergleicht.
Depressive Störungen gehören in Deutschland zu den häufigsten Erkrankungen. Die Ursachen sind komplex und bisher nur teilweise verstanden. Eine Rolle scheint das Spurenelement Lithium dabei zu spielen. So zeigen internationale Studien, dass ein höherer natürlicher Lithiumgehalt des Trinkwassers mit einer niedrigeren Suizidrate in der Bevölkerung einhergeht.
In vielfach höherer Konzentration kommen Lithiumsalze auch in der Behandlung von Manien und depressiven Störungen zum Einsatz. Welche Rolle das Lithium im Gehirn genau spielt, ist jedoch bisher nicht bekannt.
Bestimmung der Lithium-Verteilung
Physiker und Neuropathologen sowie Rechtsmedizinerinnen haben in Zusammenarbeit mit einem Expertenteam der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) eine Methode entwickelt, mit der sie die Verteilung von Lithium im Gehirn exakt bestimmen können. Daraus erhoffen sie sich Rückschlüsse auf die Therapie sowie ein besseres Verständnis der physiologischen Vorgänge bei Depressionen.
Verhältnis der Lithiumkonzentration
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten das Gehirn eines Suizidenten und verglichen es mit zwei Kontrollpersonen. Im Fokus stand dabei das Verhältnis der Lithiumkonzentration in der weißen Gehirnsubstanz zu der in der grauen Substanz des Gehirns.
Neutronen spüren Lithium auf
Um festzustellen, wo im Gehirn wie viel Lithium vorhanden ist, analysierten die Forschenden 150 Proben aus verschiedenen Hirnregionen – beispielsweise jene Regionen, die vermutlich für die Verarbeitung von Gefühlen zuständig sind. Dazu bestrahlten die Forschenden dünne Gehirnschnitte mit Neutronen.
„Ein Lithium-Isotop kann besonders gut Neutronen einfangen und zerfällt dann in ein Helium- und ein Tritiumatom“, erklärt Dr. Roman Gernhäuser der TUM. Die beiden Zerfallsprodukte werden von Detektoren vor und hinter der Probe eingefangen und geben so Aufschluss darüber, wo genau sich das Lithium im Gehirnschnitt befindet.
Da die Lithium-Konzentration im Gehirn üblicherweise sehr klein ist, ist es sehr schwer nachzuweisen. „Bisher wurden noch nie so geringe Spuren von Lithium im Gehirn ortsaufgelöst gezeigt“, so Dr. Jutta Schöpfer, Rechtsmedizinerin.
Signifikanter Unterschied zwischen Gesunden und Depressiven
„Wir sahen, dass bei der gesunden Person in der weißen Substanz deutlich mehr Lithium vorhanden war als in der grauen Substanz. Bei dem Suizidenten hingegen ist die Konzentration ausgeglichen, hier ist kein systematischer Unterschied messbar“, fasst Gernhäuser das Ergebnis zusammen.
„Unsere Ergebnisse sind gewissermaßen bahnbrechend, da die Lithiumverteilung erstmals unter physiologischen Bedingungen nachgewiesen wurde“, freut sich Schöpfer. „Da wir das Element in Spuren auch ohne vorherige Medikamenten-Gabe im Gehirn nachgewiesen haben und sich die Verteilung so stark unterscheidet, gehen wir davon aus, dass Lithium tatsächlich eine wichtige Funktion im Körper hat.“
Nur der Anfang
In Zukunft wollen Gernhäuser und sein Team noch mehr Hirnschnitte untersuchen und somit der Frage nachgehen, ob die abweichende Lithiumverteilung bei depressiven Personen eine Ursache oder eine Folge der Erkrankung ist.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Technischen Universität München.
Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Priyanka Singh, unsplash