Wenn eine dendritische Zelle auf ein unbekanntes Protein stößt, bildet sie ein umschließendes Vesikel. Das Molekül Sec61 sorgt für die Freisetzung des Fremdproteins im Zellinneren und stimuliert die Kreuzpräsentation von Proteinbruchstücken, die für das Abtöten von Erregern essenziell ist.
Das Immunsystem setzt – wie die Polizei – auf Arbeitsteilung. Da sind zunächst einmal die dendritischen Zellen. Sie laufen rund um die Uhr Patrouille und sichern die Spuren verdächtiger Eindringlinge. Bei Erfolg präsentieren sie ihre Funde einem schlagkräftigen Fahndungsteam, den zytotoxischen T-Zellen. Diese Killer wissen nun, wonach sie suchen müssen. Sie schwärmen aus und vernichten die Erreger. Wenn eine dendritische Zelle auf ein unbekanntes Protein stößt, umfließt sie es mit ihrer Zellmembran. Dabei entsteht ein Membranbläschen, ein Vesikel – eine Art intrazelluläre Tüte, die den Fremdstoff enthält und als Endosom bezeichnet wird. In der Zelle verlässt das fremde Protein die „Tüte“ und wird von Verdauungsenzymen zerlegt. Dabei entstehen Bruchstücke, die die dendritische Zelle an ihre Oberfläche transportiert und dort den zytotoxischen T-Zellen unter die Nase reibt. Diese vermehren sich und machen Jagd auf all diejenigen Zellen im Körper, an denen sie dieselben Proteinbruchstücke riechen. Das Vorzeigen der Bruchstücke an zytotoxische T-Zellen heißt Kreuzpräsentation. Es ist ein extrem wichtiger Mechanismus, ohne den die Immunabwehr einen großen Teil ihrer Schlagkraft einbüßen würde. Ein Schlüsselschritt dieser Kreuzpräsentation war bislang ungeklärt: Wie gelangt das Fremdprotein aus der Tüte in das Zellinnere?
Schon lange wurde vermutet, dass ein Molekül namens Sec61 die Tüte mit dem verdächtigen Fund durchlöchert. Sec61 entsteht in den dendritischen Zellen im endoplasmatische Retikulum. „Es übernimmt dort lebenswichtige Aufgaben“, erklärt Prof. Sven Burgdorf, der am LIMES-Institut der Universität Bonn arbeitet. „Wir haben nun zusammen mit Partnern aus Braunschweig eine Möglichkeit gefunden, das Sec61 in diesem Röhrensystem festzuhalten, ohne seine Funktion zu beeinträchtigen.“ Aufnahme einer dendritischen Zelle: Mit einer speziellen Mikroskopietechnik konnten die Forscher Sec61 (kleine schwarze Pünktchen) in den rotgefärbte Endosomen ("Tüten") sichtbar machen. © AG Burgdorf Durch diesen Trick konnte Sec61 nicht mehr zur Tüte mit dem verdächtigen Protein gelangen. Auf den ersten Blick verhielt sich die Zelle absolut normal. „Wir weisen aber nach, dass die Kreuzpräsentation vollständig unterbleibt, wenn wir Sec61 festhalten“, erklärt Prof. Burgdorf. Mit einer in Leiden entwickelten Mikroskopietechnik konnten die Forscher zudem zeigen, dass Sec61 im Normalfall tatsächlich zur Wand der Tüte wandert.
Impfstoffe funktionieren umso besser, je effektiver es ihnen gelingt, eine starke Kreuzpräsentation anzuregen. Die Pharmaindustrie kennt inzwischen eine Reihe von Adjuvantien, mit denen sich die Kreuzpräsentation ankurbeln lässt. „Dennoch gelingt das nicht immer in ausreichendem Maße“, betont Prof. Burgdorf. „Wir hoffen, dass unsere Grundlagenarbeit langfristig neue Möglichkeiten aufzeigt, Impfungen gegen Viren oder Tumoren weiter zu verbessern.“ Originalpublikation: The Translocon Protein Sec61 Mediates Antigen Transport from Endosomes in the Cytosol for Cross-Presentation to CD8+ T Cells Sven Burgdorf et al.; Immunity, doi: 10.1016/j.immuni.2015.04.008; 2015