Digoxin und vergleichbare Substanzen sind seit Menschengedenken fester Bestandteil der Kardiologie. Neue Studien zeigen, dass entsprechende Pharmaka zu einer erhöhten Mortalität führen. Wissenschaftler fordern jetzt ein Umdenken bei therapeutischen Empfehlungen.
Digitalis-Extrakte finden seit Jahrhunderten mehr oder minder systematisch in der Kardiologie Verwendung. Sydney Smith gelang es 1930, bei Burroughs Wellcome reines Digoxin zu isolieren. Der Siegeszug des Pharmakons begann. Arzneimittelgesetze oder klinische Studien gab es damals nicht. Und so sieht es mit der Datenlage zu Herzglykosiden nicht sonderlich gut aus.
Die größte methodisch hochwertige Studie wurde 1997 von der Digitalis Investigation Group veröffentlicht. Bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz verringerte sich die Hospitalisierungsrate – ohne Einfluss auf die Mortalität. Zu Vorhofflimmern, der mit Abstand häufigsten Indikation von Digoxin, gab es bislang keine belastbaren Daten.
Jetzt hat Professor Dr. Stefan Hohnloser vom Universitätsklinikum Frankfurt eine Meta-Analyse publiziert. Er fand zwischen 1993 und 2014 genau 19 Fachaufsätze mit 326.426 Personen. Darunter waren 235.047 Vorhofflimmer- und 91.379 Herzinsuffizienzpatienten. Bei Menschen, denen Kardiologen Digitalis verschrieben hatten, erhöhte sich das Sterblichkeitsrisiko um 21 Prozent. Der genaue Blick in zwei Gruppen mit Vorhofflimmern beziehungsweise Herzinsuffizienz zeigt, dass Digitalis mit einer 29-prozentigen bzw. 14-prozentigen Risikoerhöhung korrelierte. Alle Zusammenhänge sind statistisch signifikant.
Momentan halten internationale kardiologische Fachgesellschaften Digitalis bei Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern für geeignet. Allerdings sind diese Empfehlungen schwach. Autoren der aktuellen Metaanalyse kritisieren, hier würde nur die „hochgradig unbefriedigende derzeitige Datenlage“ reflektiert. Sie fordern randomisierte, kontrollierte Studien mit Digitalis, um die Effektivität und Sicherheit dieser Medikation nachzuweisen. „Bis solche gut geplanten randomisierten klinischen Studien vorliegen, sollte Digitalis mit großer Zurückhaltung angewandt werden“, heißt es im Artikel. „Ein sorgsames Monitoring der Patienten, inklusive Bestimmung der Plasma-Digitalis-Konzentration, ist notwendig.“ Hohnloser: „Meine persönliche Meinung ist, dass die Zeit der Digitalis-Therapie – besonders als Herzfrequenz-kontrollierendes Medikament bei Vorhofflimmern – vorüber ist. Diese Hypothese muss allerdings in entsprechenden Studien überprüft werden.“