Eine neue Liste der Weltgesundheitsorganisation WHO sorgt für Aufsehen. Experten definieren teils hochpreisige Präparate als Innovationen und fordern, alle Länder damit zu versorgen. Ihre Idee: Hersteller unter Druck setzen.
Seit 1977 veröffentlicht die Weltgesundheitsorganisation WHO regelmäßig ihre „Model List of Essential Medicines“. Das Dokument führt Wirkstoffe mit Relevanz für die weltweite Versorgung auf. Aus knapp 200 Pharmaka sind mittlerweile 500 geworden. Zusammenstellungen speziell für Kinder kommen mit hinzu. Jetzt liegt ein Update vor. Zu den Details:
Vergleichsweise rasch haben Experten fünf neue Wirkstoffe zur Behandlung der Hepatitis C aufgenommen: Daclatasvir, Ledipasvir plus Sofosbuvir, Ombitasvir plus Paritaprevir plus Ritonavir (eventuell mit Dasabuvir kombiniert), Simeprevir und Sofosbuvir. Ob viele Länder von der Empfehlung profitieren, erscheint angesichts der aktuellen Preispolitik fraglich. Abhängig vom Genotyp hätten Medikamente teilweise einen „beachtlichen Zusatznutzen“, berichtet die WHO. Mit ihrer vergleichsweise raschen Aufnahme in die Liste essentieller Medikamente versuchen sie, Druck auf Hersteller auszuüben, ihre Präparate preisgünstiger anzubieten. Sofosbuvir-haltige Präparate stehen wegen exorbitanter Behandlungskosten weltweit in der Kritik.
Damit nicht genug: Um Hepatitis B erfolgreicher zu therapieren, greifen Experten Entecavir und Tenofovir auf. Bei HIV gab es gleich mehrere Updates: Darunavir und neue Präparate mit Efavirenz, Nevirapin beziehungsweise Abacavir plus Lamivudin. Im Gegenzug sind ältere Formulierungen von der Liste gestrichen worden.
Auch die therapeutischen Optionen bei malignen Erkrankungen wurden gründlich überprüft. Insgesamt schafften es 30 etablierte Wirkstoffe erneut auf die Liste, und 16 neue kamen mit hinzu. Teure Wirkstoffe, etwa Imatinib, Rituximab oder Trastuzumab, sind auch hier kein „no go“ mehr – vielmehr fordern sie, alle Menschen sollten Zugang bekommen.
Nach einer langen Durststrecke ohne Innovation identifizierte die WHO jetzt fünf neue Wirkstoffe gegen Tuberkulose. Bei multiresistenten Formen sollten Ärzte zu Bedaquilin, Delamanid, Linezolid oder Terizidon greifen. Zur Therapie der latenten Tuberkulose kommt Rifapentin mit hinzu.
Gesundheitspolitiker aus vielen Ländern befürworten die Herangehensweise, innovative – wenn auch hochpreisige – Wirkstoffe aufzunehmen. Allerdings weisen sie auf Probleme durch Fälschungen hin. Gerade teure Medikamente sind für dubiose Banden attraktiv.