Wird ein Patient mit Ausfluss aus der Harnröhre vorstellig, muss ich als Urologin herausfinden, was denn da überhaupt tropft. Für den Fall, dass es der klassische Tripper ist, hab ich euch hier meine Praxis-Tipps zusammengestellt.
Wenn ein Patient über Ausfluss aus der Harnröhre klagt, habt ihr euch auch schon mal gefragt – was tropft hier? Es kommen mehrere Erreger infrage, darunter Chlamydien und Mykoplasmen. Der klassische Tripper ist natürlich auch dabei. Wie ihr eine Gonorrhoe zuverlässig erkennt und worauf ihr achten solltet, habe ich euch hier zusammengestellt.
Der Erreger der Gonorrhoe ist Neisseria gonorrhoeae. Es sind gramnegative, aerob wachsende, unbewegliche und meist paarweise gelagerte Kokken (Diplokokken) mit einem Durchmesser von 0,6–0,8 µm. Zum Anzüchten braucht man speziellen Agar (Kochblutagar), eine hohe Feuchtigkeit und eine CO2 -Konzentration von 5–10 %. Der Erreger ist empfindlich gegen Außeneinflüsse, die Übertragung erfolgt durch engen Schleimhautkontakt.
N. gonorrhoeae ist genetisch sehr variabel, mutiert häufig und besitzt die Fähigkeit zum DNA-Austausch. Daher kommt es schnell zur Entwicklung von Antibiotika-Resistenzen. Asymptomatische Verläufe sind bei Frauen (40–50 %) häufiger als bei Männern (10–40 %) und tragen zur weiteren, auch unbemerkten Verbreitung bei.
Das einzige Erregerreservoir ist der Mensch. Der Erreger hinterlässt keine Immunität.
Die Erkrankung ist häufig und nimmt in ihrer Häufigkeit zu. Aus Sachsen liegen wegen der dortigen Meldepflicht Daten vor, hier lag die Inzidenz 2019 bei 19,9/100.000 Einwohner. Besonders hoch ist die Inzidenz bei Menschen mit sexuellem Risikoverhalten.
Die meisten Männer erleben 2–6 Tage nach der Infektion eine Dysurie und massiven, oft eitrigen, Ausfluss aus der Harnröhre. Ein Teil zeigt nur einen spärlichen glasigen Ausfluss, bekannt ist der „Bonjour-Tropfen“, der einen morgendlichen Ausfluss meint. Die Infektion kann aufsteigen und eine Prostatitis, Vesikulitis oder Epididymitis (mit nachfolgender Infertilität) zur Folge haben. Vor allem rezidivierende Infektionen der Harnröhre führen zu Harnröhrenstrikturen.
3–21 Tage nach Infektion kann es zu einer Entzündung der Endozervix mit vaginalem Fluor und Dysurie bei Mitbeteiligung der Harnröhre kommen. Kommt es zu einer weiter aufsteigenden Infektion mit Beteiligung des Endometriums, der Eileiter und des Pelveoperitoneum, so kann dies zu Blutungen, Tubensterilität und einer PID (Pelvic Inflammatory Disease) führen. Letzteres Krankheitsbild führt zu Unterbauchschmerzen, Dyspareunie und atypischen Blutungen. Die Entwicklung einer Peritonitis oder Perihepatitis (mit Schmerzen im rechten Oberbauch) ist möglich.
Es besteht das Risiko einer Frühgeburt oder eines septischen Aborts. Infiziert sich das Kind intrauterin oder beim Durchtritt durch den Geburtskanal kann eine Pharyngitis des Neugeborenen oder eine Augenentzündung (Ophthalmoblennorrhoea neonatorum) resultieren. Eine Prophylaxe mit Silbernitrat-Augentropfen (Crede-Prophylaxe) wird heute nicht mehr durchgeführt. Eine eitrige Konjunktivitis tritt ca. 5 Tage nach der Geburt auf und muss schnell behandelt werden, da es durch Übergreifen auf die Hornhaut zur Erblindung kommen kann.
Eine Konjunktivitis des Erwachsenen kommt häufig bei gleichzeitiger genitoanaler Infektion vor, z. B. durch Autoinokulation. Die Erkrankung ist hochakut und kann ebenfalls durch Übergreifen auf weitere Strukturen zur Erblindung führen.
Durch Analverkehr oder bei Frauen auch durch Schmierinfektionen kann es zu asymptomatischen Verläufen (Infektionsreservoir) oder einer Proktitis kommen. Die Symptomatik variiert zwischen analem Juckreiz über Schmerzen im Analbereich und dem Peritoneum bis zu analem Fluor.
Sie verläuft zumeist asymptomatisch, hat aber eine hohe infektiologische Bedeutung. Im Pharynx sind auch viele kommensale Neisserien zu finden; hier kann es leichter über Gentransfer zwischen den Bakterien zur Entwicklung von Resistenzen kommen. Eine symptomatische Erkrankung kann mit Halsschmerzen, Schluckbeschwerden oder Rötung des Pharynx einhergehen.
Die Erkrankung ist selten, wird aber auch oft übersehen. Schleimhautsymptome sind eher selten, aber es treten intermittierende Fieberschübe, arthritische Beschwerden (monoarthritisch oder polyarthritisch) und vaskulitische, hämorrhagische Hautveränderungen auf. Es kann aber auch zur Endokarditis, Perikarditis, Meningitis oder Osteomyelitis kommen. Bei Frauen scheint die Erkrankung etwas häufiger vorzukommen, vor allem nach der Menstruation, nach Einlegen eines IUPs oder der Geburt. Auch besteht ein Zusammenhang zur Komplementkaskade, sodass Menschen mit einem Mangel der späten Komplentkomponenten oder unter einer entsprechenden Antikörpertherapie eher gefährdet sind.
Unter SARA (Sexually Aquired Reactive Arthritis) versteht man eine reaktivierte Arthritis einige Wochen nach einer – oft unbemerkten – Infektion mit verschiedenen Erregern, deren genetisches Material teilweise in den betroffenen Gelenken (oft Knie oder Sprunggelenk mit Erguss) noch nachgewiesen werden kann. Es kann auch zur Konjunktivitis und zu multiplen Hautveränderungen kommen. Die betroffenen Patienten sind oft HLA-B27-positiv. Bei Patienten mit diesen Beschwerden sollte sowohl die infektiologische Diagnostik, als auch die rheumatologische Diagnostik erfolgen.
Diagnostik
Es werden Abstriche aus der Urethra, bei entsprechender Sexualanamnese pharyngeal (hintere Rachenwand und Mandeln) und anal entnommen. Vor dem urethralen Abstrich sollte 2–4 Std keine Miktion erfolgt sein. Alternativ geht auch ein Erststrahlurin (10–15ml).
Für eine Kultur sollte der Abstrich endozervikal entnommen werden. Für die NAT-Diagnostik eignen sich sowohl Zervikalabstriche, als auch (selbst entnommene) vaginale Abstriche. Urin eignet sich nicht!
Bei einer symptomatischen Urethritis kann der Fluor nach Gram (oder mit Methylenblau) gefärbt werden, die Diplokokken finden sich intraleukozytär (Kaffeebohnenform, Durchmesser: 0,6–1,0 µm). Die Sensitivität von anderen Abstrichlokalisationen ist deutlich geringer und wird daher nicht empfohlen.
Für alle Lokalisationen und Urin des Mannes geeignet. Allerdings kann es zu Kreuzreaktionen mit apathogenen Neisserien bei pharyngealen und rektalen Abstrichen kommen, sodass hier ein Bestätigungsverfahren angewandt werden sollte. Der Test findet auch asymptomatische Infekte und ist heute schnell verfügbarer Standard, oft mit der Möglichkeit, Doppelinfektionen mit Chlamydien nachzuweisen.
Es stehen Spezialtransportmedien und spezielle Anzuchtböden zur Verfügung. Die Kulturen werden 2 Tage bei 36 Grad bebrütet. Die Sensitivität ist bei genitalen Abstichen am höchsten. Der Vorteil ist, dass mit der Kultur auch die Resistenzbestimmung erfolgt, die bei zunehmender Resistenzlage sehr wichtig ist!
PCR-basierte Schnelltests sind heute sehr genau und haben nur bei pharyngealen Abstrichen Lücken, während antigenbasierte Test nicht geeignet sind.
Tipp 1: Bei urethralem Ausfluss des Mannes wäre die optimale Diagnostik eine NAT/PCR auf Gonokokken, Chlamydien und Mykoplasmen, kombiniert mit einer Gonokokken-Kultur. Bei entsprechender Anamnese sollte die Diagnostik nicht nur symptomorientiert sondern risikoadaptiert erfolgen und sowohl urogenitale, anorektale und pharyngeale Proben beinhalten. So zeigte sich an einer Untersuchung von MSM, dass die Prävalenz von pharyngealen Infektionen höher war als von urethralen und anorektalen Lokalisationen. Diese Diagnostik hat auch Auswirkungen auf die Therapie.
Tipp 2: Wenn Männer erzählen, dass sie nur geschützten Verkehr hatten, gehen sie oft nur von vaginalem Geschlechtsverkehr aus, das schließt nicht den – oft ungeschützten – Oralverkehr aus. Fragt nach! Ich erkläre meinen Patienten, wo sich Gonokokken überall aufhalten können (Rachen, Harnröhre, After) und frage dann, von welchen Orten wir einen Abstrich machen sollen.
Cave: Bei der disseminierten Gonokokkeninfektion ist die Blutkultur durch die intermittierende Bakteriämie nur in 20–30 % erfolgreich.
Aufgrund der sehr hohen Resistenzentwicklung bei Gonokokken sollten die aktuellen Therapieempfehlungen eingehalten werden. Daher sammelt GORENET bundesweit Daten und Isolate zur Empfindlichkeitstestung.
Bei symptomatischen Patienten soll nach Entnahme von Material zur Anlage einer Kultur mit Antibiogramm die Therapie begonnen werden. Die Kultur kommt bei Therapieversagen zum Einsatz und dient der Überwachung der Resistenzentwicklung.
Die aktuellen Therapieregime finden sich in der aktuellen Leitlinie oder dem Leitfaden der Deutschen STI-Gesellschaft.
Zur Zeit ist Ceftriaxon (1–2 g i. v. oder i. m. einmalig) als Kurzinfusion das Mittel der Wahl bei unkomplizierter Infektion des Mannes und nicht schwangerer Patientin, wenn kein Antibiogramm vorliegt. Die i. m.-Gabe von Ceftriaxon erfolgt in Lidocainlösung, diese darf nicht i. v. gegeben werden! Je nach Patient (unbekannt, therapieinadhärent) sollte eine kombinierte Therapie mit Azithromycin 1,5 g p. o. einmalig durchgeführt werden.
Cefixim 800 mg ist für die pharyngeale Gonorrhoe nicht ausreichend. Ehemals beliebte Präparate wie Ciprofloxacin und Tetrazykline sind in 60–80 % der Fälle unwirksam und daher ohne Wirksamkeitsnachweis nicht zu empfehlen. Liegt jedoch ein positives Antibiogramm vor, dann sollte – wenn möglich – ohne Cephalosporine und Azithromycin behandelt werden, um weiteren Resistenzen entgegenzuwirken.
Bei konjunktivalen Symptomen können zusätzlich noch antibiotikahaltige Augentropfen (z. B. azithromyzinhaltige AT) gegeben werden.
Eine Therapiekontrolle sollte bei persistierenden Symptomen nach 3–7 Tagen, ansonsten per NAT nach 2 Wochen erfolgen. Die Patienten haben häufiger Koinfektionen mit anderen STI, auch diese sollten abgeklärt werden. Beispielsweise kommt es zu Koinfektionen mit Chlamydia trachomatis bei bis zu 20 % der Patienten. Auch ein Gespräch über Übertragungswege (Warnung vor einer Autoinokulation der Augen bei Fluor) und Prophylaxe ist sinnvoll.
Eine Partnerbehandlung ist notwendig, die Partnerinformation jedoch freiwillig. Hilfreich können Hinweise auf Ping-Pong-Infektionen und Folgen der Infektion sein.
Bei urethritischen Männern sollten die PartnerInnen der letzten 2–8 Wochen, bei Frauen und beiden Geschlechtern mit nicht-urethralen Formen die PartnerInnen der letzten 3–6 Monate informiert werden.
Es besteht eine nichtnamentliche Meldepflicht für N. gonorrhoeae mit verminderter Empfindlichkeit gegen eines oder mehrere der folgenden Antibiotika: Azithromycin, Cefixim, Cefriaxon ab 1.3.2020 gemäß § 7 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Darüber hinaus muss in Sachsen nichtnamentlich jede Infektion mit N.gonorrhoeae und C. trachomatis gemeldet werden.
Das RKI bittet darum, über lokale Ausbrüche informiert zu werden.
Bildquelle: Izzy Gibson, unsplash