Sie begegnen einem ständig und überall: die sogenannten Pandemietreiber. Aus meiner Sicht gibt es hier 10 unterschiedliche Typen.
Manche sind es mit voller Absicht, die meisten aber eher aus Schludrigkeit, Bequemlichkeit oder Unwissenheit: Menschen, die SARS-CoV-2 dabei helfen, sich auszubreiten. Ich hoffe ich kann das ein oder andere Schmunzeln erzeugen in einer Zeit, in der viele sich ausgelaugt und ermüdet fühlen, in der Abstand und Einschränkung zur Normalität geworden sind, weil sie nötig sind, um Leben zu bewahren.
Die Zahlen sinken, die Immunisierung in der Bevölkerung steigt. Haltet durch! Und wenn ihr euch über Pandemietreiber ärgert, so wie ich mich oft über sie ärgere, dann denkt auch immer daran, dass die nicht die Mehrheit sind, sie sind nur, vor allem im Netz, sehr laut oder sie wissen es manchmal anscheinend wirklich nicht besser. Anmerkung: Wann immer ich in der männlichen Form geschrieben habe, ist auch die weibliche gemeint.
Mir begegnet dieser Typus meist in Form von Senioren. Sie leugnen nicht, dass eine Infektionskrankheit mit schlimmen bis schlimmsten Folgen um sich greift. Sie finden die Maßnahmen dagegen auch völlig in Ordnung. Sie tragen ihre Masken meist korrekt. Dass die jungen Leute mit Homeoffice, Homeschooling, mangelnder Kinderbetreuung, Kurzarbeit, Existenzängsten, enormer Arbeitsbelastung in den systemrelevanten Berufen usw. zu kämpfen haben tut ihnen leid, aber sie selbst wollen doch nicht auf „alles“ verzichten, schließlich haben sie doch kein Corona. „Zu meinem/r Nähkreis/Kaffeekränzchen/Geburtstagsfeier/etc. kommt doch keiner, der Corona hat!“ ist das Mantra. Nur „ausnahmsweise“ wird sich heimlich getroffen.
Die Vorhänge kann man ja zuziehen, Rollos runter lassen. Über die Monate wird aus der einen Ausnahme eine Routine aus regelmäßigen, semiheimlichen Treffen im größeren Kreis. Ein Geheimnis ist das längst nicht mehr. Der Apothekerin gegenüber deutet man da gern mal kichernd etwas an. Da kommt doch keiner mit Corona hin, bis dann doch einer kommt und ein Cluster entsteht. Mein Trost bei dieser Gruppe ist, dass die Betreffenden mittlerweile zu großen Teilen geimpft sind und auch Schnelltests werden mittlerweile recht gern von ihnen beansprucht.
Er kam letzten Februar in die Apotheke und erzählte mir, dass eine schlimme Pandemie auf uns zurollt, dass die Chinesen ein Virus entwickelt haben, das ganz Europa und die USA niederraffen wird. Es sei dort, in Wuhan, aus einem Labor ausgeschleppt worden und nun seien dort ungeplant die eigenen Leute krank. Trotzdem werden die Chinesen ihren Plan weiter verfolgen und es bei uns aussetzen. Vielleicht war der Ausbruch in Wuhan sogar Absicht, damit ihr Plan nicht so auffällt. Unsere Regierung stünde mit den Chinesen im Bunde und spielt deshalb den Ernst der Lage runter.
Damals trug er schon FFP2 Maske aus dem Baumarkt, Nitrilhandschuh, hatte Desinfektionsmittel dabei und beteuerte nur noch aus dem Haus zu gehen, wenn es unbedingt nötig sei (er kam oft zu uns). Prompt mit Einsetzen der ersten Pandemieeindämmungsmaßnahmen kam der Sinneswandel. Nun beteuerte er, dass unsere Regierung Teil einer Weltverschwörung sei zur Schwächung der deutschen Wirtschaft (er sprach wirklich nur von der deutschen Wirtschaft), dass das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung zu Sauerstoffmangel im Hirn führen würde und dass Corona doch nur ein Erkältungsvirus sei. Das könne man alles im Internet nachlesen. Natürlich stirbt auch keiner an Corona, sondern mit Corona und die Totenscheine seien alle gefälscht.
Als der erste Impfstoff gegen COVID-19 zugelassen wurde, beteuerte er, sich nie und nimmer damit impfen zu lassen, denn dann würde seine DNA verändert und ein Nanochip eingepflanzt mit dem Bill Gates ihn kontrollieren möchte. Mittlerweile würde er sich nur noch mit „Biontekk“ impfen lassen, aber er bekäme ja gar keinen Termin, weil die da oben das nicht wollen, dass er geimpft ist und wenn er nachfragt, wird ihm ja nur „Aschdrasennekka“ angeboten und damit wollen die ihn ja nun umbringen. Das Besondere an diesem Typus von VTler ist nicht, dass er an Verschwörungsmythen glaubt, sondern, dass sie einer Art Mode unterliegen und sich schneller ändern, als die umgehenden Challenges auf TikTok.
Er riecht nach Qualm, als ob er gerade einer 70er Jahre Polittalkshow entsprungen ist. Er hat gerade noch schnell zwei bis viele Kippen weginhaliert, direkt vor der Glastür der Apotheke. Er sieht eigentlich ganz fit aus, ist mittleren Alters und müffelt nach Aschenbecher. Er trägt keine Maske und wedelt auf Anfrage sofort mit einem Attest, das bescheinigt, dass das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung bereits nach Nanosekunden bei ihm Atemnot auslösen würde. Ein ungleich dickerer Zigarettenfilter scheint als Inhalationsbarriere aber kein Problem darzustellen.
Ich staune schon darüber, wie viele Menschen offenbar mit Maske nicht reden können und diese jedes Mal runterziehen und dann nach gesprochenem Satz wieder hochziehen. Noch erstaunlicher sind Menschen, die mit Maske auch schlecht hören und sie jedes mal runterziehen mit der Silbe: „Hä?“ Die größte Faszination bei gleichzeitigem Entsetzen lösen bei mir aber jene aus, die zum Niesen und Husten reflexartig ihre Maske runterziehen und dann wieder aufsetzen.
Diese Person kommt in die Apotheke und braucht nur etwas gegen Halsweh und gegen Reizhusten und gegen Kopf- und Gliederschmerzen, dann vielleicht noch ein Nasenspray, dass den Geruchssinn wieder zurückbringt und dann noch was gegen Durchfall. Während eine Kollegin schon alle Türen weit öffnet und eine andere die Sprühdesinfektion holt, weist man freundlich darauf hin, dass die Maske auch über der Nase zu tragen ist und dass unverzüglich ein Abstrich zwecks COVID-19-Diagnostik erfolgen sollte. Die betreffende Person fällt derweilen aus allen Wolken: „Ach das sind Symptome von Corona? Das habe ich ja noch nie gehört!“
Er trägt seine Maske bewusst falsch, denn die nützt eh nichts, aber er kennt die Geheimwaffe gegen Corona. Es ist im März Paracetamol, im April Ibuprofen, im Mai Cistrosentee, dann der Sommer, im Oktober sind es Cistrosenkapseln, im November hochdosiertes Vitamin D, im Dezember hochdosiertes Vitamin C, im Januar Chlorhexamed forte, im Februar Gargarisma, im März Betaisodona Gurgellösung, im April Algovir und im Mai Budesonid („Wie, dazu brauche ich ein Rezept?“). Das will die Pharmaindustrie aber geheim halten (also die, die das alles herstellen), das weiß er aus der Zeitung (Was für ein Geheimnis!).
Er widersetzt sich der herrschenden Diktatur! Er kämpft an gegen eine Bundesregierung, die ihn freundlich darum bittet, doch mal eine Weile vernünftig zu handeln und auf ein bisschen Kontakte zu verzichten. Er sagt mutig seine Meinung in einem Land in dem das auch wirklich jeder darf, egal wie blöde sie ist. Er heult rum, wenn andere ebenfalls von diesem Recht Gebrauch machen und ihre Gegenmeinung kundtun. Er riskiert sein Leben, indem er in diesem totalitären Staat auf genehmigte Demonstrationen geht und sich trotzdem nicht an Abstands- und Maskenregeln hält.
Auch bei diesem Thema gibt es sie, die Leute, die angesichts einer globalen Pandemie fragen, wann denn mal einer an die Kinder, die Senioren, die Obdachlosen, die Krebskranken, die Kriegsgebeutelten, die Künstler oder sonst wen denkt. Selbst hilft derjenige zwar keiner der genannten Personengruppen und eigentlich hat er sich auch noch nie großartig für jemand anderen, als sich selbst interessiert, aber es klingt doch viel schöner, wenn man das eigene Rumgemotze hinter anderen verstecken kann. Diesen Menschen kann man sehr gut begegnen, indem man sie auf passende Hilfsangebote hinweist.
Schon vor der Pandemie war der heiße Atem dieses Fremden im Nacken in Warteschlangen der Horror. Schon vor der Pandemie hielten sie keinen Diskretionsabstand, um die Gespräche anderer belauschen zu können und sie fuhren einem im Supermarkt mit ihren Einkaufswagen in die Hacken, als ob die Kassiererin dann auf magische Weise schneller arbeiten würde (die scannen ihre Waren ja schon fast mit Schallgeschwindigkeit). Sie tun all das immer noch, aber im Freien ohne Maske und drinnen mit Maske unter der Nase.
Sie meinen die Natur regelt nur gerade das Überbevölkerungsproblem. Die Welt würde nur sich selbst reinigen. Wer alt ist, ein „schlechtes Immunsystem“ hat oder Vorerkrankungen, den trifft es dann eben. Alle anderen würden doch problemlos überleben. Sie kommen scheinbar nicht auf die Idee, dass sie es selbst sein könnten oder einer ihrer Nahestehenden. Sie sind so naiv, wie sie widerlich sind.
Bildquelle: Steve Snodgrass, flickr