Dass eine hohe Konzentration von Testosteron im Blut den Menschen aggressiv macht, ist bekannt. Neu ist, dass das Sexualhormon auch soziales Verhalten unterstützt. Testosteron fördert bei Männern den Verzicht auf persönliche Vorteile zum Wohle einer übergeordneten Gruppe.
Testosteron ist bekannt für seinen Einfluss auf das Verhalten in Situationen von Konkurrenz bzw. Wettbewerb und Bedrohung, und man verbindet mit dem Hormon eher negative Eigenschaften wie erhöhte Aggressionsbereitschaft, Dominanz oder unsoziales Verhalten. Obwohl es auch Studien gibt, die einen prosozialen Effekt von Testosteron nachweisen konnten, wurden bisher Faktoren wie „Gruppenzugehörigkeit“ nicht in Testosteron-Verhaltensstudien einbezogen. Daher hat Luise Reimers, Doktorandin im Forschungsteam von Jun.-Prof. Dr. Esther Diekhof (Arbeitsgruppe Neuroendokrinologie in der Abteilung Humanbiologie am Biozentrum Grindel der Universität Hamburg) erforscht, inwiefern Testosteron das Verhalten während einer Konkurrenzsituation zwischen Gruppen beeinflusst. Bei der Studie wurden 50 männliche Fußballfans getestet, die am Computer ein sogenanntes Gefangenendilemma spielen mussten. Das Gefangenendilemma wird in der Verhaltensforschung angewendet, um Altruismus in Form von kooperativem Verhalten bzw. Egoismus zu erforschen. Bei dem Spiel wird untersucht, inwieweit die Spieler nur ihren eigenen Nutzen maximieren oder auch die Interessen anderer in ihre Entscheidungen mit einbeziehen und mit ihnen kooperieren. Die körpereigene Testosteronkonzentration wurde anhand von Speichelproben gemessen, die am Morgen des Testtages abgegeben wurden.
Die Fußballfans spielten das Gefangenendilemma auf zweierlei Weise: Zum einen sollten sie für sich selbst Punkte sammeln. Zum anderen gab es einen Wettbewerb, bei dem sie in der Gruppe gegen Fans der anderen Vereine spielen sollten und am Ende der Verein gewann, der als Gruppe die meisten Punkte hatte – die Teilnehmer mussten also zwischen persönlichem Gewinn und dem Erfolg ihrer Gruppe abwägen. Die Daten zeigten, dass Testosteron bei Männern z.B. den Verzicht auf persönliche Vorteile zum Wohle der eigenen Gruppe oder eine erhöhte Kooperationsbereitschaft gegenüber eigenen Gruppenmitgliedern fördert. Dies galt vor allem in Situationen, bei denen sie sich für die eigene Gruppe einsetzen und gegen andere behaupten mussten. Originalpublikation: Testosterone is associated with cooperation during intergroup competition by enhancing parochial altruism Luise Reimers et al.; Frontiers in Neuroscience, doi: 10.3389/fnins.2015.00183; 2015