Die Pandemie führt zu mehr depressiven Symptomen und Ängsten – was schon oft vermutet wurde, konnte jetzt in einer Analyse bestätigt werden. Junge Leute und Frauen sind besonders häufig betroffen.
Die COVID-19-Pandemie stellt für die Allgemeinbevölkerung und insbesondere für spezifische Risikogruppen wie Mitarbeitende im Gesundheitswesen oder Menschen mit psychischen Erkrankungen eine erhebliche psychische Belastung dar. Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Resilienzforschung und des Nationalen Forschungsnetzwerks Universitätsmedizin (NUM) wollten wissen, wie sich die Belastungen im Detail auswirken. Dafür haben sie Studiendaten von weltweit mehr als 70.000 Teilnehmern an Umfragen zu psychischen Belastungen durch die COVID-19-Pandemie ausgewertet und diese mit Daten vor der Pandemie verglichen.
Das Ergebnis der Analyse: In der Allgemeinbevölkerung zeigen sich moderat erhöhte Belastungen durch depressive und Angst-Symptome. Besonders gefährdet sind demnach junge Leute, aber auch Menschen in schlechter wirtschaftlicher Situation sowie mit einem niedrigen Bildungsniveau.
„Die Studie stellt eine der bisher umfassendsten Analysen der psychischen Auswirkungen der 1. Welle der Pandemie dar“, erklärt die Erstautorin der Studie, Angela Kunzler, vom Leibniz-Institut für Resilienzforschung in Mainz. „Im Vergleich zu Daten vor der Pandemie konnten wir nachweisen, dass bereits während der 1. Welle der Pandemie moderat erhöhte Belastungen durch depressive Symptome und Ängste in der Allgemeinbevölkerung bestanden, und das weltweit.“
Der Leiter der Studie, Prof. Klaus Lieb, Direktor des Leibniz-Instituts für Resilienzforschung sagt: „Die Daten unterstreichen, dass auch die psychischen Folgen der COVID-19 Pandemie pandemische Ausmaße annehmen.“ Die psychischen Folgen der Pandemie bei Infektionsschutzmaßnahmen müssten stärker mitberücksichtigt und präventive Ansätze zur Förderung der psychischen Gesundheit und Resilienz verstärkt zum Einsatz kommen, so Lieb.
Weitere Analysen zeigten, dass weder die psychische Belastung noch das Stresserleben von Personal im Gesundheitswesen während der ersten Phase der Pandemie verglichen mit präpandemischen Daten erhöht war. Die relevantesten Risikofaktoren für eine psychische Belastung waren sowohl bei Teilnehmern aus der Allgemeinbevölkerung als auch bei Beschäftigten im Gesundheitswesen bestehende psychische Störungen, weibliches Geschlecht und die Sorge, sich zu infizieren.
Als Schutzfaktoren wurden hingegen höheres Alter, eine persönlich gute wirtschaftliche Situation und ein höheres Bildungsniveau identifiziert. „Zuverlässige Daten, wie sich die psychische Belastung bis zur 3. Welle in 2021 weiterentwickelt und ob die Belastung auch mit einer erhöhten Rate an psychischen Erkrankungen einhergeht, liegen bisher noch nicht vor“, erklärt Lieb. „Erste Daten weisen jedoch darauf hin, dass die Belastungen eher zunehmen. Es sieht so aus, als konnten die Mitarbeitenden im Gesundheitswesen während der 1. Welle der Pandemie noch gut auf Vorerfahrungen und Ressourcen zurückgreifen. Diese scheinen jetzt zunehmend erschöpft zu sein.“
Die Forschungsgruppe führt fortlaufend systematische Auswertungen veröffentlichter Studien in der Pandemie durch und arbeitet insbesondere daran, möglichst alle veröffentlichten Studien zu identifizieren und in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Dies ermöglicht ein sehr viel differenzierteres Bild als es einzelne Studien vermitteln können. Die Analyse entstand im Rahmen des Projekts CEOsys (www.covid-evidenz.de) innerhalb des Nationalen Forschungsnetzwerks Universitätsmedizin (NUM), an dem zahlreiche Forschungseinrichtungen beteiligt sind.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Leibniz-Institut für Resilienzforschung. Die Analyse haben wir euch hier und im Artikel verlinkt.
Bildquelle: Verne Ho, unsplash