Essen nachzusalzen ist für viele Menschen ganz normal. Doch ein erhöhter Salzkonsum hat Folgen – nicht nur für den Blutdruck. Dazu gibt es jetzt neue Erkenntnisse.
Bereits 2015 hatte eine Arbeitsgruppe um Prof. Dominik Müller vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) und vom Experimental and Clinical Research Center (ECRC) herausgefunden, dass erhöhte Natriumkonzentrationen im Blut sich sowohl auf die Aktivierung als auch die Funktion patrouillierender Monozyten, der Vorläuferzellen der Makrophagen, auswirkt. „Wir wussten aber nicht, was dabei genau in der Zelle passiert“, sagt Dr. Sabrina Geisberger vom Berlin Institute for Medical Systems Biology (BIMSB) des MDC. Sie ist Erstautorin der Studie, die jetzt im Fachjournal Circulation erschienen ist.
Gemeinsam mit dem Biochemiker und Metabolomics-Experten Dr. Stefan Kempa vom BIMSB sahen sich die Forschenden zunächst im Labor den Stoffwechsel von Immunzellen an, die zuvor erhöhten Salzkonzentrationen ausgesetzt waren. Schon nach drei Stunden zeigten sich Veränderungen. „Die Atmungskette wird unterbrochen: Die Zellen produzieren weniger ATP und verbrauchen weniger Sauerstoff“, erklärt Geisberger. Gewonnen wird Adenosintriphosphat (ATP) in den Mitochondrien, mit Hilfe einer komplexen Folge von biochemischen Reaktionen – der Atmungskette. „Kochsalz inhibiert sehr spezifisch den Komplex II der Atmungskette.“
Das hat Folgen: Wegen des Energiemangels reifen die Monozyten anders aus. „Die Fresszellen, deren Aufgabe es ist, Krankheitserreger im Körper aufzuspüren und zu beseitigen, konnten einerseits Pathogene besser bekämpfen. Andererseits könnten Entzündungsprozesse dadurch eher gefördert werden, was unter Umständen das kardiovaskuläre Risiko erhöht“, erklärt Müller.
Im Rahmen einer Studie nahmen gesunde männliche Probanden 14 Tage lang zusätzlich zu ihrer gewohnten Nahrung täglich sechs Gramm Kochsalz in Form von Salztabletten auf. In einer anderen klinischen Studie untersuchten die Forschenden auch eine typische Alltagssituation, den Verzehr einer Pizza vom Lieblingsitaliener. Anschließend analysierten sie den Zustand der Monozyten im Blut der Probanden.
Das Ergebnis: Der dämpfende Effekt auf die Mitochondrien zeigte sich nicht nur bei der längerfristig erhöhten Salzzufuhr, sondern schon nach einmaligem Pizzagenuss. Wie lange er anhält, zeigten die Daten des Pizza-Experiments. Den Probanden wurde nach drei und acht Stunden Blut abgenommen. In der zweiten Probe war der Effekt kaum noch messbar.
„Das ist auch gut so. Denn wäre es zu einer langanhaltenden Störung gekommen, müsste man sich Sorgen machen, dass die Zellen längerfristig nur eingeschränkt mit Energie versorgt werden“, sagt Müller. Die Mitochondrien-Aktivität ist demnach nicht dauerhaft gehemmt. Dass es zu Akkumulationseffekten kommt, wenn Menschen mehrmals am Tag stark salzige Mahlzeiten zu sich nehmen, ist jedoch nicht auszuschließen. Dies muss jetzt näher untersucht werden.
Die Pizza enthielt übrigens insgesamt zehn Gramm Salz. Ernährungsgesellschaften empfehlen Erwachsenen pro Tag nicht mehr als fünf bis sechs Gramm. Das versteckte Salz in verarbeiteten Lebensmitteln ist dabei bereits eingerechnet.
„Die grundlegende Erkenntnis unserer Studie ist, dass so ein kleines Molekül wie das Natriumion ein ganz zentrales Enzym der Atmungskette extrem effizient hemmen kann“, betont Kempa. „Wenn diese Ionen in die Mitochondrien einströmen – und das tun sie unter verschiedenen physiologischen Bedingungen – regulieren sie den zentralen Punkt in der Elektronentransportkette.“ Es scheint also ein sehr grundlegender Regulationsmechanismus der Zelle zu sein.
Nun müsse untersucht werden, ob dieser Mechanismus auch bei anderen Zelltypen durch Salz beeinflussbar ist. Das sei äußerst wahrscheinlich, denn Mitochondrien finden sich – mit Ausnahme der roten Blutkörperchen – in jeder Körperzelle. Noch ist unklar, wie bei bestimmten Zelltypen der Natriumeinstrom in die Mitochondrien reguliert wird. Die Studie untermauert jedoch, dass zu hoher Salzkonsum die Gesundheit beeinträchtigen kann. Dies sollte neben dem grundsätzlich erhöhten kardiovaskulären Risiko ebenfalls berücksichtig werden.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Charles Deluvio, Unsplash