Eine Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus trägt offenbar zur Entstehung von Leberkrebs bei. Forscher konnten erstmals das molekulare Zusammenspiel zeigen, das zu diesem Krebsboost führen kann.
Circa 35 % des menschlichen Genoms umfassen Sequenzen, die durch die Ausbreitung sogenannter Retrotransposons entstanden sind, mobile genetische Elemente, die sich auf den Chromosomen ausbreiten. Die hierfür notwendige Proteinmaschinerie wird von ca. 80–150 Kopien autonomer Retrotransposons kodiert, die zur Klasse der Long Interspersed Nuclear Elements 1 (L1) gehören.
Es ist bekannt, dass die Mobilisierung dieser L1-Elemente die Unversehrtheit des Genoms durch Insertionsmutationen beschädigen kann. Dies kann zur Entstehung von Krebserkrankungen führen. Aktivität und Ausbreitung von L1 im Genom wird durch eine Vielzahl zellulärer Kontrollmechanismen reguliert, zu denen beispielsweise die Methylierung bestimmter Nukleotidsequenzen der L1-Elemente gehört.
In einer Untersuchung des Paul-Ehrlich-Instituts und der Universitätsklinik Marburg wurde nun berichtet, dass L1-Neuinsertionen zur Entstehung von Leberkrebs beitragen können, der häufig durch chronische Infektionen durch das Hepatitis-B- (HBV) oder hervorgerufen wird.
Bisher wurden mögliche Wechselwirkungen zwischen Virus und endogener L1-Aktivität in infizierten menschlichen Zellen und deren Konsequenzen für die Vervielfältigung von Virus und Retrotransposon kaum untersucht. Die Forschungsgruppe hat sich nun mit den Interaktionen zwischen L1-Elementen und dem Hepatitis-C-Virus (HCV) befasst.
Das Team wies nach, dass eine HCV-Infektion von Leberzellen in der Zellkultur die Expression genomischer L1-Elemente, also das Ablesen der genetischen Information und Bildung der entsprechenden Proteine, signifikant steigert.
Die resultierenden L1-Proteine wurden über eine Interaktion mit HCV-Proteinen innerhalb der Zelle an diejenigen Orte umverteilt, die als Zentren des Zusammenbaus der HCV-Partikel gelten und als Lipid-Droplets bezeichnet werden. Überraschenderweise zeigte sich, dass die HCV-Infektion zu einer Hemmung der Ausbreitung von L1-Elementen führt.
Gleichzeitig wurde eine Zunahme der Anzahl an im Zellinneren befindlichen Stressgranula beobachtet, die L1-Proteine einschließen. Die so verschlossenen L1-Proteine stehen somit für die Ausbreitung von L1-Elementen nicht mehr zur Verfügung und erklären daher die beobachtete Hemmung der L1-Mobilisierung.
Diese Untersuchungen liefern erste Einblicke in das molekulare Zusammenspiel von endogenen mobilen transponierbaren Elementen und exogenen Viren, die im Falle des Leberzellkarzinoms nachweislich an dem Fortschreiten von Krankheitsprozessen beteiligt sein können.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Paul-Ehrlich-Instituts. Die Originalpublikation findet ihr hier.
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