Phagen können Resistenzgene von bereits resistenten Bakterien auf andere Bakterien übertragen, wodurch diese ebenfalls Antibiotikaresistenzen ausbilden. Dieser Übertragungsweg kann zur Verbreitung von Antibiotikaresistenzen beitragen.
Die Übertragung von Antibiotika-Resistenzgenen kann auf unterschiedliche Weise stattfinden. „Am häufigsten ist die Übertragung durch mobile genetische Elemente wie Plasmide [...] oder über Transposons [...]“, erklärt die Autorin Friederike Hilbert vom Institut für Fleischhygiene an der Vetmeduni Vienna. „Der Resistenzübertragung durch Phagen wurde bisher wenig Bedeutung zugeschrieben.“
Hilbert und ihre Kollegen isolierten Phagen aus 50 Hühnerfleischproben, die im österreichischen Handel gekauft wurden. In 49 Proben wurden Phagen nachgewiesen. Die Analyse der Phagen zeigte, dass ein Viertel der untersuchten Phagen in der Lage war, Antibiotikaresistenzen unter Laborbedingungen auf E. coli-Bakterien zu übertragen. Dabei wurden Resistenzen gegenüber Kanamycin, Tetrazyklin, Ampicillin und Chloramphenicol übertragen. Kein Phage war in der Lage, eine Extended-Spectrum-Betalaktam Resistenz (ESBL) zu übertragen. „Dieser Mechanismus könnte auch für die Humanmedizin in Krankenhäusern eine wichtige Rolle spielen, da sich dort häufig multiresistente Keime befinden. Wir gehen davon aus, dass Phagen die Resistenzgene von bereits resistenten Bakterien in sich aufnehmen und dann wiederum auf andere Bakterien übertragen“, so Hilbert. „Unsere Ergebnisse könnten in einigen Fällen erklären, wie sich Resistenzen auch in einer natürlichen Umgebung zwischen Bakterien übertragen.“
Dass Phagen Gene übertragen können, war bisher zwar bekannt, galt allerdings für Resistenzgene als eher selten. Neuere DNA-Analysen verschiedener Bakterien-DNAs zeigen allerdings, dass Phagen ihre Spuren im Genom der Bakterien hinterlassen und dass dieser Übertragungsweg wohl häufiger ist. Daher spielen Phagen eine wichtige Rolle in der Evolution der Bakterien. Im Vergleich zu Bakterien sind Phagen wesentlich robuster gegenüber Desinfektionsmitteln. Vor allem Alkohol wirkt gegen Phagen kaum. „Gängige Desinfektionsmethoden sind gegen Phagen oft ungeeignet“, betont Hilbert. Bei Hygienemaßnahmen in Lebensmittelbetrieben, aber auch in Krankenhäusern werden Desinfektionsmittel gewählt, die gegen Bakterien aktiv sind, aber möglichweise nicht gegen Phagen wirken.
Seit einigen Jahren gilt die Behandlung von bakteriellen Infektionen mit Phagen als vielversprechende neue Alternative im Kampf gegen antibiotikaresistente Keime. Hierbei werden Phagen dazu verwendet, Bakterien zu bekämpfen. Das hilft vor allem dann, wenn Antibiotika nicht mehr wirksam sind. Hilbert empfiehlt hier: „Phagen, die für die Therapie verwendet werden sollen, müssten auf jeden Fall auf ihre Fähigkeit, Resistenzgene zu übertragen, geprüft werden. Ansonsten könnte die Kombination von Phagen und multiresistenten Keimen einen gefährlichen Cocktail ergeben.“ Originalpublikation: Bacteriophages isolated from chicken meat and the horizontal transfer of antimicrobial resistance genes Friederike Hilbert et al.; Applied and Environmental Microbiology, doi: 10.1128/AEM.00872-15; 2015