„Musiker? Du steigst in die Praxis ein, Diskussion beendet.“ Solche Diskussionen haben sicher schon einige Eltern mit ihrem Nachwuchs geführt. Tatsächlich scheint der Beruf aber bereits im Hirn angelegt und mehr als eine Laune zu sein.
Oft ist es so, dass Kinder sich gar nicht berufen fühlen, unbedingt in Mamas Anwaltskanzlei einzusteigen oder Papas Praxis zu übernehmen. Vielleicht haben Tochter oder Sohn gar keine Neigung für Technik oder Gesetze und würden lieber Krankenpflegerin oder Bildhauer werden. Um das herauszufinden, gibt es einige etablierte psychologische Tests, die durch einfache Fragen ein Interessensprofil einer Person erstellen können.
Einer dieser Tests ist der Situative Interessentest (SIT) des österreichischen Psychologen Werner Stangl. Er klassifiziert die Menschen, die seinen Test durchlaufen haben, in sechs Bereiche: realistisch, intellektuell, künstlerisch, sozial, unternehmerisch und konventionell. Je nachdem, welche Bereiche dominieren, neigt ein Teilnehmer des Tests also zum Beispiel eher in Richtung Ingenieur oder Krankenpfleger.
Aber sind diese Tests tatsächlich objektiv messbar oder ist es eher Auslegungssache, welche Neigung man hat? Christoph Krick und Stefan Gurres haben darauf nun eine Antwort gefunden: „Wir können tatsächlich im Magnetresonanztomographen sehen, was jemandem liegt“, erklärt Krick, Hirnforscher an der Klinik für Neuroradiologie am Universitätsklinikum. Er hat gemeinsam mit Gurres, Lehrer an der Ignaz-Roth-Schule in Zweibrücken, 104 Schülerinnen und Schüler im MRT untersucht, nachdem alle zuvor den SIT gemacht hatten.
„Die Forschungsfrage wurde dabei von den Schülern und Schülerinnen selbst aufgeworfen, die sich über das Wesen von ‚Begabung‘ für unterschiedliche Fächer die Köpfe zerbrachen“, erläutert Krick die Entstehung der Studie. So haben sich Gurres und seine Schützlinge schließlich an die „Gehirnwerkstatt“ von Krick gewandt, in welcher der Biologe seit vielen Jahren Kindern und Jugendlichen die Geheimnisse des menschlichen Denkorgans erklärt.
„Dabei haben wir festgestellt, dass zu berufstypischen Aufgaben passende Gehirnregionen anatomisch stärker ausgeprägt sind, wenn die Schülerinnen und Schüler zu bestimmten Interessensgruppen nach Stangl gehören“, sagt Gurres. Hierfür haben Krick und er die Verteilung und die Dichte der grauen und weißen Substanz im Gehirn im MRT bestimmt. Je mehr graue Substanz und je dichter diese in einem entsprechenden Areal ist, desto stärker ist eine intellektuelle oder berufliche Neigung, die im Zusammenhang mit diesem bestimmten Hirnareal steht. „Zum Beispiel haben wir beobachten können, dass eine höhere Dichte an grauer Substanz um eine Hirnregion namens Sulcus temporalis superior mit einer stärkeren Neigung für soziale Interessen einhergeht“, erklärt Gurres. In dieser Hirnregion sitzt auch unsere Fähigkeit, Emotionen in Gesichtern zu erkennen, was für die soziale Interaktion von großer Bedeutung ist.
Bei den 104 Probanden konnten Krick und Gurres eine deutliche Korrelation zwischen den Testergebnissen des Situativen Interessenstests und den anatomischen Eigenheiten jedes einzelnen Schülergehirns feststellen. Gurres warnt aber davor, nur nach diesem Schema vorzugehen: „Wir können lediglich Momentaufnahmen bieten, denn schließlich verändern sich die Interessenslagen der Menschen im Lauf der Zeit möglicherweise noch.“ Zudem wisse man nicht, was zuerst da war: eine bestimmte Neigung oder die ausgeprägte Hirnregion, die wichtig ist, um diese Neigung erfolgreich umzusetzen. „Wenn man viel übt, verändern sich Hirnregionen ja ebenfalls“, so Krick.
Die Forschungsarbeit dürfte aber ein gewichtiges Argument in familiären Diskussionsrunden sein. „Denn das bedeutet, dass ein dezidiert geäußerter Berufswunsch tatsächlich mehr zu sein scheint als eine Laune. Denn die jeweils ausgeprägten Hirnregionen sind zugleich typischerweise in den Berufsbildern gefragt, die die jungen Leute als Wunsch im Interessenstest angeben“, so Krick.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Universität des Saarlandes. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
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