Blutdrucksenkende Medikamente können schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen – selbst bei Erwachsenen mit normalem Blutdruck. So lautet das Ergebnis einer aktuellen Studie. Gibt es jetzt Antihypertensiva für alle?
In einer großangelegten Studie, die jetzt in The Lancet erschienen ist, hat die Blood Pressure Lowering Treatment Trialists' Collaboration die Auswirkungen von blutdrucksenkenden Medikamenten analysiert. Offenbar profitieren auch Erwachsene mit normalem Blutdruck von einer Therapie mit Antihypertensiva. Laut der Autoren haben ihre Ergebnisse wichtige Auswirkungen auf klinische Richtlinien weltweit. Denn typischerweise beschränkt sich die blutdrucksenkende Behandlung bislang auf Personen mit hohem Blutdruck (normalerweise über 140/90 mmHg). Was genau haben die Autoren herausgefunden?
Die Forscher haben die Daten von 344.716 Erwachsenen mit einem Durchschnittsalter von 65 Jahren aus 48 randomisierten Studien zusammengefasst und analysiert. Die Teilnehmer wurden dabei in zwei Gruppen aufgeteilt: diejenigen mit einer vorher diagnostizierten kardiovaskulären Erkrankung (n = 157.728 Teilnehmer) und diejenigen ohne (n = 186.988).
Jede Gruppe wurde dann in sieben Untergruppen unterteilt, basierend auf den Werten des systolischen Blutdrucks bei Studienbeginn: weniger als 120, 120-129, 130-139, 140-149, 150-159, 160-169, 170 mmHg und darüber. Etwa 20 % der Teilnehmer mit einer kardiovaskulären Vorerkrankung und 8 % ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung hatten zu Studienbeginn einen normalen oder hochnormalen systolischen Blutdruck (systolischer Blutdruck unter 130 mmHg).
Über eine durchschnittliche Nachbeobachtungszeit von vier Jahren hatten 42.324 Teilnehmer mindestens ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis (Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz oder Tod durch eine kardiovaskuläre Erkrankung). Für jede Senkung des systolischen Blutdrucks um 5 mmHg sank das Risiko:
„Diese Studie unterstreicht erneut, wie wichtig es ist, den Blutdruck so gut wie möglich zu kontrollieren, um das Risiko von Herz- und Kreislauferkrankungen zu reduzieren“, sagt Prof. Sir Nilesh Samani, Medizinischer Direktor bei der British Heart Foundation. Allerdings bedeute dies nicht, dass wir jeden mit blutdrucksenkenden Medikamenten behandeln sollten. „Wenn jemand bereits ein geringes Risiko für eine Herzerkrankung hat, bringt eine 10-prozentige Senkung des Blutdrucks vielleicht nur einen kleinen direkten Nutzen.“
Auch Prof. Gavin Sandercock, Professor an der School of Sport, Rehabilitation and Exercise Sciences der University of Essex ist davon überzeugt, dass es sich um eine qualitativ hochwertige Studie handelt. Einschränkend erklärt er jedoch:„Alle diese Studien vergleichen nur Medikamente mit keiner Behandlung – sie vergleichen nicht mit einer diätetischen Intervention oder, was noch wichtiger ist, mit Sport.“
Außerdem würden die vielfältigen negativen (Neben-)Wirkungen von blutdrucksenkenden Medikamenten beschönigt. Sandercock: „Unabhängig davon, welches Medikament gegeben wird, gibt es häufige Nebenwirkungen wie Schwindel und Kopfschmerzen, die bei vielen Menschen über die gesamte Zeit der Einnahme des Medikaments anhalten können. Einige Medikamente wie ACE-Hemmer, die am häufigsten verwendet werden, verursachen auch Hautausschläge und einen anhaltenden trockenen Husten.“Bildquelle: Alexandru Acea, unsplash