In den Impfzentren dürfen doch auch andere ran, warum dann nicht wir in unseren Apotheken? Der Streit darüber, wer piksen darf, ist neu entbrannt.
Die Corona-Pandemie hat den Apotheken so einige neue Betätigungsfelder beschert, auf denen wir unser Können zeigen konnten. Ob es das schnelle und professionell organisierte Verteilen von Millionen Masken an vulnerable Personenkreise war oder das Testen von symptomlosen Menschen auf eine Corona-Infektion – immer hat es die Apotheke vor Ort geschafft, die neuen Aufgaben schnell umzusetzen. Das nächste Terrain, das die Apotheker für sich erobern möchten, ist das Impfen.
Dass dies zum Zankapfel zwischen der Apotheker- und der Ärzteschaft geworden ist, kommt nicht besonders überraschend. Viele ApothekerInnen können sich vorstellen, künftig in den Impfzentren und Apotheken nicht mehr nur als vorbereitendes Personal die Vials für Corona-Impfungen vorzubereiten. Sie würden gerne auch an der Spritze sitzen, was bisher nur anderen medizinischen Berufsgruppen vorbehalten ist. Auch Teile der Politik möchten das Impfen in den Apotheken vorantreiben. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte kürzlich gegenüber der Welt, dass auch in Apotheken gegen Corona geimpft werden sollte.
Die Ärzteschaft auf der anderen Seite ist nicht davon überzeugt, dass das eine gute Idee ist. Sie sehen die Trennungslinie zwischen den Aufgaben der Ärzte und der Apotheker damit überschritten. Dass das Impfthema bei weitem kein ausschließlich innerdeutscher Konflikt ist, sehen wir zurzeit in Österreich. Auch hier gehen die Ärzte auf die Barrikaden – die Ärztekammer schob kürzlich der Ausbildung von Impfapothekern durch das Rote Kreuz einen Riegel vor.
Obwohl die Ärzteschaft in Deutschland vermutlich gerne ähnlich agieren würde, sind wir hierzulande doch schon etwas weiter als unsere österreichischen Nachbarn. Einige Modellprojekte für die Grippeschutzimpfung in den deutschen Apotheken sind bereits erfolgreich angelaufen. Die guten Erfahrungen, die damit auch in anderen europäischen Ländern gemacht wurden, sprechen für sich. Überall sind die Impfquoten angestiegen, selbst in den Arztpraxen. Die Angst, dass die Apotheken den Ärzten Patienten wegnehmen, hat sich nicht bestätigt. Gesundheitsökonom Prof. Uwe May von der Fresenius hat bereits im Jahr 2019 ausgerechnet, dass Grippeimpfungen in Apotheken die landesweite Impfrate „um 12 Prozentpunkte steigern“ würden. Jährlich würde so das Krankheitsaufkommen um 900.000 Fälle – einschließlich rund 4.700 Krankenhausfälle – verringert und 41 mögliche Todesfälle verhindert.
Was liegt also näher, als über Corona-Impfungen ebendort nachzudenken, um die Durchimpfungsrate innerhalb der Bevölkerung zu steigern? Im Grunde ist es zurzeit eigentlich nur der fehlende Impfstoff, an dem es hapert. Viele stichhaltige (Scherz muss sein) Argumente gegen Impfungen in den Apotheken von dafür ausgebildeten ApothekerInnen kommen seitens der Ärzteschaft nicht. Das Argument, dass das Impfen eine rein ärztliche Tätigkeit sei, zieht inzwischen nicht mehr, seit in den Impfzentren auch Vertreter anderer Gesundheitsberufe erfolgreich piksen, darunter Pflegekräfte und ArzthelferInnen mit entsprechender Ausbildung.
Ein weiterer Schritt, die Impfung näher in die Apotheken zu bringen, ist Spahns Plan, den digitalen Impfpass auch in Apotheken ausstellen zu lassen. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland äußerte er sich folgendermaßen: „Der digitale Impfpass muss für alle leicht zugänglich sein. Deshalb sollten künftig außer Arztpraxen und Impfzentren auch Apotheker für bereits Geimpfte den digitalen Impfpass ausstellen können. „Mit Änderungen am Infektionsschutzgesetz wollen wir die Weichen dafür schon jetzt stellen, damit im Sommer möglichst viele den digitalen Impfpass auch nutzen.“
Das Vorgehen der Ärztekammer in Österreich erscheint da kleingeistig und ist einer Bekämpfung der Pandemie nicht zuträglich. Hoffentlich ist Deutschland da etwas weiter und geht künftig eher mit der Schweiz, Großbritannien und Irland konform. Auch in Frankreich dürfen die Apotheken bereits seit dem 15. März nicht nur gegen Corona impfen, sondern sich auch gleich die dafür nötigen Rezepte selbst ausstellen. Die Ärzte dort haben offenbar weniger Probleme damit, sich von verwandten Berufszweigen unterstützen zu lassen.
Was gestern verboten war, ist heute erlaubt – die Zeiten ändern sich. Das war mit den Corona-Tests so, denn die Testung auf lebensbedrohliche Erkrankungen war bis zum November 2020 ausschließlich den Ärzten vorbehalten, was durch das Dritte Bevölkerungsschutzgesetz aufgehoben wurde. Und das wird mit den Impfungen in den Apotheken wohl ähnlich laufen. In zehn Jahren werden wir uns fragen, warum es jemals anders war.
Bildquelle: Clay Banks, unsplash