Statt Stocherei in Nase und Rachen einfach das Corona-Teststäbchen ablutschen – und trotzdem sicher sein? Das klingt zu einfach, um wahr zu sein. Experten bestätigen: Ist es auch.
Er ist nötig und wichtiger denn je, aber angenehm ist er meistens nicht: Die Rede ist vom Corona-Test. Denn um ein aussagekräftiges und sicheres Ergebnis zu erhalten, müssen Abstriche gemacht werden – tief im Rachen und hoch in der Nase. Was die meisten Erwachsenen noch gut aushalten, fällt Kindern aber nicht immer leicht.
Mithilfe der sogenannten Lolli-Tests soll das einfacher werden und die Testungen in Kitas, Kindergärten und Schulen für alle Beteiligten erträglicher machen. Das Problem ist nur: Die sanftere Durchführung könnte auf Kosten der Ergebnisqualität gehen.
Das Grundsätzliche vorweg: Was ist ein Lolli-Test überhaupt? Dabei handelt es sich um Abstrichstäbchen, auf denen die Testperson 30 Sekunden lang herumlutscht – wie an einem Lolli eben. Die Stäbchen beispielsweise einer Schulklasse werden dann gesammelt und im Labor mittels PCR-Pooling analysiert. Sollte sich eine Corona-Probe unter dem eingesendeten Material befinden und der Sammeltest somit positiv ausfallen, müssen die Getesteten einen individuellen PCR-Test machen. Die Positiven werden entsprechend behandelt und isoliert, Kontakpersonen werden informiert. So das Modell, das bisher nur in einigen Städten erprobt wird und bald nach NRW kommen soll.
Es gibt die Lutschervariante aber auch als Selbsttest: Hier wird das Stäbchen länger im Mund behalten (90 Sekunden). Der Speichelträger verfärbt sich, wenn genug Material gesammelt wurde und kann anschließend auf eine Testkassette gedrückt werden.
Laut Hersteller soll dieser Test nach 15 Minuten ein Ergebnis liefern. Im Gegenteil zum PCR-Test kann die exakte Probenentnahme hier aber nicht mittels Zellkontrolle überprüft werden. Außerdem weist der Schnelltest eine deutlich geringere Sensitivität und Spezifität auf, was die Aussagekraft der Ergebnisse infrage stellt. Die PCR-Variante gilt daher als die genauere und sichere Lösung, wenn es um das Herausfiltern eines positiven Tests geht.
Bei beiden Testformen ist Vorsicht geboten, halten Experten fest – doch es sei verständlich, dass nach Alternativen zum Nasen-Rachen-Abstrich gesucht wird. Dr. Andreas Bobrowski, Vorstandsvorsitzender des Berufsverbands Deutscher Laborärzte, fasst zusammen: „Die Entnahmen sind schon für den Erwachsenen unangenehm, für Kinder natürlich noch deutlich mehr. Es ist leicht nachvollziehbar, dass für tägliche Testungen in Kindertagesstätten eine solche Art der Entnahme nicht durchführbar ist. Aus diesem Grund hat man über Ersatzmethoden nachgedacht.“
Spuck- und Speicheltests hätten sich schnell als vermeintliche Lösung angeboten. Aber: „Diese sind, und das haben zahlreiche Untersuchungen gezeigt, gegenüber den klassischen Abstrichtesten sehr viel unzuverlässiger und können deshalb aus laborärztlicher Sicht nicht empfohlen werden.“ Auch bestehe beim Durchführen der Tests die Gefahr vermehrter Aerosolbildung. Wird ein unerkannt infektiöses Kind getestet, könne das zur schnelleren Ausbreitung des Virus beitragen. Zumindest das werde bei der Entnahme via Lolli umgangen. Doch eine Lösung ist das nicht: „Auch wenn diese Entnahmeart für die Kinder wesentlich angenehmer ist, wird nach den Kriterien der WHO dabei kein geeignetes Material für eine Testung gewonnen“, so Bobrowski.
Eine Anfrage bei deutschen Labors, unter anderem in Köln, Münster und Berlin, brachte kaum Ergebnisse. Man habe keine Erfahrungen mit dem Lolli-Verfahren und konnte es noch nicht evaluieren; es lägen keine Daten vor. Labormediziner Bobrowski gibt zur allgemeinen Aussagekraft der Lutschtests aber Folgendes zu bedenken: „Das BfArM überprüft anhand der Herstellerangaben lediglich, ob die Kriterien für die Listung eines Antigen-Schnelltests erfüllt sind. Eine echte Überprüfung der Lolli-Teste unter realen Bedingungen durch eine staatliche Institution findet also nicht statt. Hinzu kommt, dass für viele dieser Produkte keine Laienzulassung vorliegt, so dass eine Weitergabe an Privatpersonen nach Medizinprodukte-Vergabeverordnung nicht erlaubt ist.“
Eine Analyse der mittels Lolli gesammelten Proben per PCR-Pooling könnte zwar die Unsicherheit in puncto Aussagekraft der Ergebnisse etwas mildern – aber ganz ohne Nachteile gelingt auch das nicht. Denn wenn die Proben nicht im Rahmen eines Selbsttests ausgewertet werden, müssen sie stattdessen ins Labor gebracht werden.
Neben den anfallenden Transportkosten ist außerdem zu bedenken, dass die Analyse der Sammelproben etwa einen Tag dauert. Eltern, Kinder und ErzieherInnen bzw. LehrerInnen wüssten also immer erst einen Tag später, ob Kollegen oder Kinder möglicherweise infiziert sind. Die nächsten Schritte – Einzel-PCR, Untersuchungen, Isolation, Therapie – könnten ebenfalls erst dann anlaufen.
Es bleibt das Warten auf weitere Alternativen. Und die frustrierende Erkenntnis, das es mal wieder nicht so einfach ist, wie es klingt: „Mit der Bezeichnung ‚Lolli-Test’ soll suggeriert werden, dass die Probenentnahme genauso einfach ist wie das Lutschen eines Lollis. In Wirklichkeit erfolgt hier aber eine insuffiziente Probenentnahme, die nicht zur Sicherheit in den entsprechenden Institutionen beiträgt, sondern möglicherweise sogar für eine Weiterverbreitung der Erkrankung sorgt“, so Bobrowski. Seine Vermutung für den Hype: Die Sehnsucht nach einfachen, zuverlässigen Tests – und eine gute Marketing-Strategie. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob der Lolli-Test sich in Deutschland sinnvoll durchsetzen kann.
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