Das Next Generation Sequencing (NGS) eröffnet in der Onkologie neue Möglichkeiten für eine zielgerichtete Tumortherapie. Die Interpretation der Daten stellt dabei jedoch häufig eine große Herausforderung dar.1 Aus den gewonnenen Informationen lassen sich nicht immer Rückschlüsse auf die bestmögliche individuelle Therapie des Patienten ziehen. Die schwierige Aufgabe, Tumorveränderungen mit zugelassenen oder experimentellen Therapien aufeinander abzustimmen, hängt stark von der Expertise der einzelnen Zentren ab.2
Um eine bestmögliche und einheitliche Beurteilung der NGS-Ergebnisse zu gewährleisten, werden immer häufiger molekulare Tumorboards (MTB) eingesetzt.3,4 Dabei stehen die Identifizierung und Diskussion therapeutischer Strategien im Mittelpunkt. Die MTB-Empfehlungen sollten hierbei anhand einer multidisziplinären Expertise abgeleitet werden.5
Über den Outcome von Patienten mit fortgeschrittenen Malignomen, die in einem neu eingerichteten Tumorboard vorgestellt wurden, berichteten Kato et al. im Oktober 2020 in der Fachzeitschrift Nature.1 Ziel des MTB war die Entwicklung individueller Therapiekonzepte, die unter Leitung des behandelnden Arztes im Rahmen eines Masterprotokolls durchgeführt wurden.1 Hierzu sprachen die Experten des molekularen Tumorboards anhand der Patientencharakteristika passende Behandlungsempfehlungen aus.1 Die endgültige Therapieentscheidung traf der jeweils behandelnde Arzt.1 Im Rahmen einer Studie wurde untersucht, inwieweit Patienten von einer der MTB-Empfehlung entsprechenden Therapie profitieren konnten.1
In die Studie wurden zunächst 715 Patienten mit unterschiedlichen malignen Erkrankungen eingeschlossen.1 Bei 429 (60 %) Patienten konnte nach dem MTB eine Evaluierung erfolgen und bei 265 (62 %) der 429 auswertbaren Patienten wurde eine Übereinstimmung mit mindestens einem empfohlenen Medikament festgestellt.1 Insgesamt 86 (20 %) Patienten wurden mit allen vom MTB empfohlenen Medikamenten behandelt.1
Es zeigte sich, dass eine MTB-basierte Therapie besser auf die jeweiligen genomischen Veränderungen der Patienten abgestimmt war.1
So ergaben die Daten eine signifikante Steigerung des progressionsfreien Intervalls (PFS) sowie des Gesamtüberlebens (OS) der Patienten, die gemäß der MTB-Empfehlung behandelt wurden, gegenüber denjenigen Patienten mit regulärer ärztlicher Therapieempfehlung (PFS: HR, 0.68; 95% CI, 0.51-0.90, p=0.008, OS: HR, 0.69; 95% CI, 0.49-0.98. p=0.036).1
Außerdem wurde der klinische Outcome der Patienten in Abhängigkeit vom Matchingscore untersucht. Dieser bewertete die Anzahl der genetischen Alterationen, auf die die verabreichten Medikamente abzielten, geteilt durch die Gesamtzahl der Veränderungen (je höher der Score, desto besser die Übereinstimmung).1 Bei der Auswertung zeigte sich ein besserer klinischer Outcome bei Patienten mit hohem Matchingscore (75-100 %) gegenüber Patienten mit geringem Matchingscore (0-24 %) (HR, 0.55; 95 % CI, 0.34–0.87; p=0.01).1
Die Ergebnisse dieser Arbeit stimmen weitestgehend mit bisherigen Erkenntnissen überein.6,7 Allerdings handelt es sich hier um keine kontrollierte Studie. Vielmehr bilden die Daten den klinischen Alltag ab. Ebenso liegt aufgrund der Auswahl der Patienten durch die behandelnden Ärzte ein Selektionsbias vor.1
Die Autoren verdeutlichen daher die Notwendigkeit weiterer klinischer Studien, um die gewonnen Erkenntnisse zu validieren und ggf. Grenzwerte des Matchingscores für die Anwendung der zielgerichteten Tumortherapie festzulegen.1
Die Studie von Kato et al. finden Sie hier.
Weitere Informationen zum Thema Molekulare Tumorboards finden Sie hier.
Abkürzungen:
NGS: Next Generation Sequencing
MTB: Molekulares Tumorboard
PFS: Progressionsfreies Intervall
OS: Gesamtüberleben
HR: Hazard Ratio
Referenzen: