Eine neue Untersuchung zeigt, wie der Verlust einer reichhaltigen Tierwelt nicht nur das Risiko für Ausbrüche von Infektionskrankheiten erhöht, sondern auch eine nachhaltige globale Entwicklung schwächt.
Der gegenwärtige Verlust biologischer Vielfalt ist beispiellos und die Geschwindigkeit des Artensterbens übersteigt vergleichbare natürliche Prozesse um ein Vielfaches. Maßgeblich verursacht durch menschliche Eingriffe, ist dieser Verlust an Fülle und Vielfalt der Tierwelt in den Tropen besonders ausgeprägt, obgleich nicht darauf beschränkt. Eine neue Untersuchung von Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und des Lund University Centre for Sustainability Studies (LUCSUS) betrachtet nun den Zusammenhang zwischen zunehmend tierleeren Tropenwäldern und den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung.
In der Fachzeitschrift Ambio zeigen sie auf, wie der Verlust einer reichhaltigen und vielfältigen Tierwelt die Ernährungssicherheit untergräbt, das Risiko des Ausbruchs von Infektionskrankheiten erhöht, die Kapazität für die Kohlenstoffspeicherung verringert und somit Grundpfeiler der nachhaltigen globalen Entwicklung schwächt. Aufgrund dieser Einsichten drängen sie darauf, der Defaunation mehr Aufmerksamkeit in der interdisziplinären Forschung, der Forstpolitik und dem Naturschutz zu schenken.
Die Defaunation ist ein schleichender Prozess in tropischen Wäldern. Er bezeichnet den Verlust der Vielfalt in der Tierwelt durch regionales oder globales Aussterben von Arten und die erheblichen Bestandsrückgänge zahlreicher Arten, so dass diese ihre ökologischen Funktionen nicht mehr ausreichend ausfüllen können. „Ein leerer Wald unterscheidet sich fundamental von einem Wald mit einer gesunden Tiergemeinschaft. Was unter dem Kronendach der verbleibenden Tropenwälder der Welt passiert, ist von größter Bedeutung für das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen“, sagen Torsten Krause vom LUCSUS und Andrew Tilker vom Leibniz-IZW.
Die Wissenschaftler untersuchten den Zusammenhang zwischen dem Verlust der Tierwelt in den Tropen und vier der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und analysierten die sozialen und ökologischen Auswirkungen der Defaunation auf lokaler und globaler Ebene. Sie zeigten, dass dieser Prozess kritische ökologische Funktionen bedroht und das menschliche Wohlbefinden auf vielen Ebenen gefährdet. Hier eine Auswahl:
Angesichts dieser Einsichten müsse dem Verlust der Tierwelt in den Tropenwäldern in der Forschung, der Umweltpolitik und im Naturschutz auf globaler und lokaler Ebene mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, schlussfolgern die Wissenschaftler.
Da die Folgen der Verarmung der Tierwelt in den Tropen weitreichend, einzigartig und komplex sind – wie das Wildfleisch-Dilemma verdeutlicht – ist mehr interdisziplinäre Forschung notwendig, um die Auswirkungen des Prozesses vollständig zu verstehen. „Der Verlust der Tropenwaldfauna hat zahllose ökologische, evolutionäre, sozioökonomische und kulturelle Auswirkungen und untergräbt das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele. Daher ist es wichtig, dass Wissenschaftler*innen, die die Biodiversität der Tropenwälder untersuchen, erkennen, dass Wälder von Natur aus sozial-ökologische Systeme sind“, sagt Tilker.
Es sollten also ganzheitliche, ortsbezogene Schutzansätze entwickelt werden, um die Defaunation abzuschwächen oder zu stoppen. Die lokale Bevölkerung und ihre Wirtschaft müssten eine wichtige Rolle in der Ausgestaltung von Schutzstrategien spielen. Defaunation wurde auch in der Forstpolitik bisher weitgehend übersehen und sollte in den Strategien zur Waldbewirtschaftung häufiger direkt angesprochen werden, zum Beispiel durch die Einbeziehung der Fauna in die waldbezogene globale Klimafinanzierung.
Nicht zuletzt seien wirksame Maßnahmen zur Eindämmung und Kontrolle des kommerziellen Handels mit tropischen Wildtieren ein wichtiger Eckpfeiler, um einen weiteren Niedergang von Tierdiversität und -häufigkeit in Waldökosystemen zu bekämpfen, so Krause und Tilker.
Die ganze Untersuchung findet ihr hier. Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung.
Bildquelle: The Miscellanista, unsplash