Ein Abbauprodukt aus unserem eigenen Blut bietet dem Coronavirus offenbar Schutz vor Antikörpern. Dieser überraschende Fund könnte erklären, warum manche Menschen einen schweren COVID-19-Verlauf entwickeln.
Den Forschern um Annachiara Rosa vom Francis Crick Institute in London war bei Experimenten mit Blutseren von COVID-Patienten Überraschendes aufgefallen: Lösungen, in denen sich Serum und künstlich nachgebautes Spike-Protein befand, verfärbte sich häufig grünlich. Das passierte allerdings nur, wenn sich in der Lösung auch die N-terminale Domäne des Proteins befand.
Verantwortlich für die Verfärbung der Lösung ist offenbar Biliverdin, ein Protein, das im Blut beim Abbau von Hämoglobin entsteht. COVID-Patienten mit schweren Verläufen weisen oft einen erhöhten Biliverdin- und Bilirubin-Spiegel im Blut auf.
Anlalysen mittels Cryo-Elektronenmikroskopie ergaben, dass Biliverdin an den N-Terminus des Spike-Proteins binden kann. Offenbar stabilisiert Biliverdin das virale Spike-Protein so, dass es seine Konformation nicht mehr ändern kann. Das heißt, dass sich das Protein nicht mehr „öffnen“ und Teile seiner Struktur freilegen kann. Einige Antikörper sind dann nicht in der Lage dazu, ihre Angriffsstellen am Spike-Protein zu erreichen. So können sie nicht mehr an das Virus binden und es neutralisieren.
Zellkulturexperimente scheinen dies zu bestätigen: In physiologischen Konzentrationen dämpfte Biliverdin die Reaktivität des Spike-Proteins mit Immunseren signifikant. Die Neutralisationsrate der Antikörperlösungen sank um 30 bis 50 Prozent. Fehlte das Biliverdin oder wurde seine Bindung durch eine Mutation verhindert, war das nicht der Fall.
Die Autoren vermuten, dass dies einer Mechanismen sein könnte wie dem Virus die Immunflucht gelingt. „Wenn SARS-CoV-2 die Lunge eines Patienten infiziert, schädigt es die Blutgefäße und verursacht einen Anstieg der Anzahl von Immunzellen“, erklärt Hauptautorin Annachiara Rosa. „Beide Effekte können dazu beitragen, dass die Werte von Biliverdin und Bilirubin in den umliegenden Geweben ansteigen. Und wenn mehr dieser Moleküle vorhanden sind, hat das Virus mehr Gelegenheit, sich vor bestimmten Antikörpern zu verstecken.“ Das sei laut Rosa ein wirklich bemerkenswerter Prozess, da das Virus „möglicherweise von einem Nebeneffekt des Schadens profitiert, den es bereits verursacht hat.“
Die Studie ist in Science Advances erschienen.
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