„Schreiben Sie mir doch einfach einen Zettel, dass ich negativ bin. Das ist aber umständlich bei Ihnen!“ So die Reaktion der Dauerwellenträgerin, die unbedingt jetzt zum Friseur muss und der alles andere egal ist.
Niemals hätte ich gedacht, dass meine Arbeit in der Apotheke einmal so viel mit der Planung von Friseurbesuchen zu tun hat. Seitdem jeder für seinen Besuch beim Haarbändiger einen negativen Schnelltestes, nicht älter als 24 Stunden, vorlegen muss, sind wir mit unserem kleinen Testcenter gefragter denn je.
Die Krux an der Sache: Um sich anzumelden, benötigen die frisierwilligen Menschen einen Internetzugang und eine Mailadresse, auf die die Bescheinigung gesendet wird. Hier, neben der Vorstadtapotheke, befindet sich auch ein typischer Vorstadtfriseur, zu dem sich vorwiegend die Damen älterer Semester bemühen, um ihre Hausfrauendauerwelle auftoupieren zu lassen. Die sind an diesen „neumodischen Firlefanz“ Internet natürlich nicht angeschlossen. Ist ja noch nie nötig gewesen – bis jetzt zumindest nicht.
Mit panikgeweiteten Augen stehen diese Damen nun entweder vor mir im HV, oder keuchen ins Telefon: „Waaas? Auf der Homepage anmelden? Mailadresse? Das hab ich nicht! Aber ich muss doch morgen zum Friseur!“
Ich, die ich seit vielen Jahren nicht mehr beim Figaro saß, kann diese Panik wiederum nicht nachvollziehen. Meine Güte, es geht ja nicht um Leben und Tod, es sind nur Haare! Lebloses Keratin! Meine Kollegin, die in steter Angst vor einer Monobraue lebt, hatte zunächst mehr Verständnis, ist inzwischen aber auch am Ende ihrer Geduld angekommen.
Wir fingen also an, die Leute selbst ins System einzuschreiben und uns eine neue Mailadresse zuzulegen, damit wir uns anschließend die Testergebnisse quasi selbst schicken und für die Kunden ausdrucken können. Der Figaro hat nämlich – man glaubt es kaum – ebenfalls keinen Internetanschluss im Laden.
Inzwischen sind wir jedoch alle davon genervt, uns für die Friseurbesuche teilweise völlig unbekannter Leute Konten anzulegen, Mails zu verschicken und passende Termine für die Testung zu finden. Zudem die Dankbarkeit für diesen Service stark zu wünschen übrig lässt.
„Das ist aber kompliziert bei Ihnen!“
„Mein Gott, ich hab das Ding (Internet) im Leben noch nicht gebraucht, und jetzt verlangen SIE, dass ich mir einen Computer kaufe, um meine Haare machen zu lassen?“
„Wieso können Sie sich jetzt nicht EINFACH da hinsetzen und mir einen Zettel mit der Hand schreiben, dass ich negativ getestet bin?“
Dass das alles neben unserer eigentlichen Arbeit (Beratungstätigkeit, Rezepturherstellung, Ware verbuchen, Betreuung kranker Menschen) passiert, interessiert niemanden. Das Schlimmste: Dass wir für unseren Service nun auch noch Prügel einstecken müssen. Mir schwant GANZ Übles, wenn ich an das kommende E-Rezept denke! Die Leute haben auch nur noch sich selbst im Blick, wie andere unter ihrem Egoismus leiden, ist irrelevant.
Nun denn … dann kümmere ich mich mal wieder um die Koordination von 20 zusätzlich reingequetschten, spontanen Testterminen für den Friseurbesuch – die Hautcreme für den 5-jährigen mit der juckenden Hauterkrankung anzurühren hat ja wohl noch einen Tag Zeit.
Eine verkehrte Welt ist das gerade!
Bildquelle: Nicolás Flor, Unsplash