Die Weibchen Najin und Fatu in Kenia sind die weltweit einzigen verbliebenen nördlichen Breitmaulnashörner. Durch assistierte Reproduktion versuchen Forscher jetzt, die vom Aussterben bedrohten Dickhäuter zu retten.
Dies ist die erfolgreichste Serie von Prozeduren – von der Eizellentnahme in Kenia bis zur Befruchtung im Reagenzglas (In-vitro-Fertilisation) und Kryokonservierung in Italien –, die das Team vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW), Safari Park Dvůr Králové, Kenya Wildlife Service, Ol Pejeta Conservancy und Avantea jemals durchführten. Außerdem bestätigte das Team, dass die im Dezember 2020 durchgeführte Sterilisation eines südlichen Breitmaulnashornbullen erfolgreich war. Der Bulle kann sich nun zu weiblichen Artgenossen in der Ol Pejeta Conservancy gesellen, die als potenzielle Leihmütter für zukünftigen Nachwuchs der nördlichen Breitmaulnashörner ausgesucht wurden.
Die Weibchen Najin und Fatu der Ol Pejeta Conservancy in Kenia sind die weltweit einzigen verbliebenen nördlichen Breitmaulnashörner. Um das Aussterben des nördlichen Breitmaulnashorns zu verhindern, entnimmt das internationale BioRescue-Konsortium von Wissenschaftler*innen und Naturschützer*innen unter der Leitung des Leibniz-IZW seit 2019 Oozyten der beiden Weibchen und befruchtet diese im Labor mit gefrorenem Sperma von verstorbenen Männchen, um lebensfähige Embryonen des Nördlichen Breitmaulnashorns zu erzeugen.
In naher Zukunft sollen diese Embryonen in Leihmütter von südlichen Breitmaulnashörnern eingesetzt werden, um Nachkommen von nördlichen Breitmaulnashörnern zu erzeugen.
Am 28. März 2021 entnahm das BioRescue-Team unter Leitung von Prof. Thomas Hildebrandt (Leibniz-IZW) mit einer ultraschallgeführten Sonde 19 Eizellen aus Fatus Eierstöcken, nachdem das Tier unter Vollnarkose gesetzt wurde. Fatu ist das jüngere der beiden nördlichen Breitmaulnashörner, die Tochter von Najin und die Enkelin von Sudan, dem letzten nördlichen Breitmaulnashornbullen, er verstarb 2018.
Sowohl die Narkose als auch die Entnahme der Eizellen verliefen reibungslos und ohne Komplikationen.
Nach der Inkubation und Reifung der Eizellen im Avantea-Labor in Cremona (Italien) wurden 14 Eizellen mit aufgetauten Spermien des verstorbenen nördlichen Breitmaulnashornbullen Suni im ICSI-Verfahren (intra-cytoplasmatische Spermieninjektion) befruchtet. Vier befruchtete Eizellen entwickelten sich zu lebensfähigen Embryonen, die nun sicher an der Seite der Embryonen aus früheren Einsätzen im flüssigen Stickstoff lagern. Insgesamt gibt es nun neun Embryonen des Nördlichen Breitmaulnashorns – alle stammen aus Eizellen von Fatu.
„Wir sind begeistert von den Ergebnissen der letzten Eizellenentnahme im März. Mit diesen neun nördlichen Breitmaulnashorn-Embryonen können die Projektpartner die nächste Phase des Projekts einleiten – den Embryotransfer in Leihmuttertiere der südlichen Breitmaulnashörner in der Ol Pejeta Conservancy. Wir sind sehr gespannt auf Nachkommen aus dem Projekt, die das Überleben der Art garantieren werden“, erklärte Najib Balala, Cabinet Secretary, Ministry of Tourism and Wildlife, Kenia.
Während des jüngsten Eingriffs wurde bei dem Muttertier von Fatu – der 31-jährigen Najin – nur eine leichte stehende Narkose und eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt. Nach den Ergebnissen des Ultraschalls entschied das Team, keine Eizellenentnahme zu versuchen, da Najin anscheinend nicht genügend vielversprechende Eizellen entwickelt hatte. Das Konsortium wird demnächst ausführlich diskutieren, ob und wie Eizellenentnahmen mit Najin fortgesetzt werden sollen. Denn ein zentraler Bestandteil des BioRescue-Projekts ist die ethische Risikobewertung aller Prozeduren.
Ein weiterer sehr wichtiger Schritt für den Erfolg des Projekts war die Auswahl und Sterilisation des südlichen Breitmaulnashorn-Bullen Owuan im Dezember 2020. Das Tier wurde vom BioRescue-Team mit einem minimal-invasiven, nicht-chirurgischen Verfahren unter Verwendung modernster Ausrüstung sterilisiert.
Die Sterilisation verlief reibungslos und ohne jegliche Komplikationen. Im März 2021 bestätigte das Team mittels Elektroejakulation, dass die Sterilisation erfolgreich war. Owuan hat sich von den Untersuchungen gut erholt und ist seiner zukünftigen Rolle gewachsen: Als sterilisierter Bulle wird er durch sein Verhalten zuverlässig den Fortpflanzungszyklus potenzieller Leihmütter anzeigen, ohne dass die Gefahr besteht, dass sie dabei trächtig werden. Diese Indikation ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, die wertvollen Embryonen des Nördlichen Breitmaulnashorns zum richtigen Zeitpunkt des Fortpflanzungszyklus in die Leihmütter einzusetzen. Unter Anleitung des Kenya Wildlife Service plant das Team sorgfältig die Unterbringung ausgewählter südlicher Breitmaulnashornweibchen in Owuans Gesellschaft. Diese Zusammenführung wird in den kommenden Wochen stattfinden.
Der Text basiert auf einer Pressemitteilung des Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung. Für alle Fotos gilt die Quellenangabe „BioRescue/Rio the Photographer“.
Bildquelle: BioRescue/Rio the Photographer