Ein bestimmter Hilfsstoff in mRNA-Vakzinen kann offenbar Anaphylaxien auslösen. Dazu liegt nun ein erster Case Report aus Großbritannien vor.
In seltenen Fällen kann es nach Impfung mit dem Corona-Vakzin Comirnaty® von Biontech/Pfizer zu allergischen Reaktionen kommen. Das sollten Impf- und Hausärzte bei der Betreuung ihrer Impflinge auf dem Schirm haben. Aufgefallen war das unter anderem bei einer Frau in Großbritannien, deren Fall nun im Rahmen einer Studie untersucht wurde.
Aufhänger der Untersuchung waren gleich 3 Fälle von allergischen Reaktionen, 2 davon schwer, die mit den ersten Biontech-Impfungen in Großbritannien einhergingen. Das klingt verhältnismäßig wenig – die Forscher geben aber zu bedenken, dass durch Impfungen ausgelöste Anaphylaxien extrem selten sind. Es sei von einem Fall pro 1 Million Impfdosen zu rechnen, auch bei Comirnaty®.
Mit ihrer Analyse des Patientenfalls konnten die britischen Wissenschaftler nun auch erstmals einen Auslöser der Anaphylaxien festmachen: Polyethylenglykol (PEG). Allergien gegen den Stoff seien selten, aber mit schweren, teilweise tödlichen Reaktionen verbunden. PEG kommt in vielen Medikamenten und Impfungen, aber auch in Produkten des täglichen Gebrauchs wie Shampoos und Zahnpasta vor.
Die betroffene Geimpfte bestätigte, schon in der Vergangenheit auf Azithromycin sowie bestimmte Pflegeprodukte reagiert zu haben. Eine PEG-Allergie sei aber zum Zeitpunkt des Impfens nicht bekannt gewesen; die Studienautoren schlossen erst durch eine Patientenbefragung nach Behandlung der Anaphylaxie darauf.
Die allergische Reaktion äußerte sich bei der 52-Jährigen wie folgt: Unmittelbar nach Verabreichung der Impfung verengte sich der Hals, dazu kam Husten. Die Geimpfte verlor das Bewusstsein. Dabei wies sie eine Atemfrequenz von 30/min sowie eine Tachykardie (150 Schlägen/min) und Hypoxie (Sauerstoffsättigung bei 85 %) auf. Ihr Blutdruck war nicht mehr messbar, der Puls blieb allerdings tastbar. Behandelt wurde sie mit zwei Dosen Adrenalin intramuskulär (0,5 mg) und intravenöser Gabe von Hydrocortison (200 mg), Chlorphenamin (10 mg) und Flüssigkeits-/Sauerstoffzufuhr (15 Liter/min). Der anderthalb Stunden später gemessene Tryptasewert der Patientin lag bei 3,9 ng/ml und damit im unteren Normbereich (2–14 ng/ml).
Nach Stabilisierung wurden verschiedene PEG-Konzentrationen mittels Hautpricktest getestet. Auch die Corona-Vakzine von Biontech/Pfizer und AstraZeneca sowie enthaltene Hilfsstoffe wurden so an der Haut der Patientin getestet. Die Forscher weisen explizit darauf hin, dass das Material für diese Testungen aus frisch angebrochenen Impfvials stammte, was zum Aufziehen einer Dosis nicht mehr ausgereicht hätte. Es sei also kein Impfstoff verschwendet worden.
Die Tests fielen im Bereich der 0,1 %igen PEG-Konzentration, der beiden Impfungen und ihrer Hilfsstoffe negativ aus. Auf PEG 4.000 konnte unterdessen bei 1 %iger Konzentration eine starke Reaktion festgestellt werden; die Frau musste umgehend erneut hospitalisiert und wie zuvor therapiert werden. Da der Impfstoff von Biontech/Pfizer PEG 2.000 enthält – wie auch das zweite bisher erhältliche mRNA-Vakzin von Moderna – gehen die Forscher davon aus, dass PEG der entscheidende Faktor bei der durch die Impfung ausgelösten Anaphylaxie ist. Auf keinen anderen enthaltenen Hilfsstoff habe es eine vergleichbare Reaktion gegeben.
Die Studienautoren betonen, dass die Impfstoffe trotzdem sicher seien. Eine PEG-Allergie an sich sei selten, eine entsprechende Reaktion bei Impfung ebenfalls. Weitere Forschung müsse sich eventueller Kreuzreaktionen mit Polysorbat 80, einem der Hilfsstoffe von AstraZenecas Vakzin, widmen. Unklar sei auch, warum bei 3 weiteren Probanden mit allergischer Reaktion der Hautpricktest durchgehend negativ verlief und warum die 52-jährige Frau auf PEG 4.000, aber offenbar nicht auf PEG mit höherem Molekulargewicht reagiert habe. Auf Basis der bisherigen Ergebnisse empfehlen die Forscher, mRNA-Vakzine bei Patienten mit bestätigter oder vermuteter PEG-Allergie nicht zu geben. Sofern Polysorbat 80 gut vertragen wird, beispielsweise in Lebensmitteln oder anderen Impfungen wie gegen Influenza, könne stattdessen der Impfstoff von AstraZeneca oder Johnson & Johnson verabreicht werden – sofern vorhanden.
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