Die ermutigenden Ergebnisse einer aktuellen Studie zum Management von Atemnot und Angst sollen den Blick von Behandlern auf das Potential von Hypnose und Selbst-Hypnose im Rahmen der therapeutischen Kommunikation lenken.
Anlló H et al vom Klinischen Hypnose-Forschungsteam des Bligny Krankenhauszentrums (Frankreich) untersuchten in einer randomisierten, Scheinbehandlungs-kontrollierten Crossover-Studie die Wirkung von Hypnose im Rahmen des Dyspnoe-Managements.
Hintergrund: Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) sind anfällig für Dyspnoe, erhöhte Atemfrequenz und andere angstauslösende Symptome. Hypnose stellt ein ergänzendes Verfahren dar, das die subjektiven Angstgefühle verbessern kann.
Zielsetzung: Beurteilung der Wirksamkeit einer 15-minütigen Hypnose-Intervention zur unmittelbaren Verbesserung von Angstzuständen bei Patienten mit schwerer COPD.
Methoden: 21 Teilnehmer, COPD-Patienten (mittlerer FEV1 < 32,3%), wurden randomisiert zwei Einzelsitzungen im Crossover-Verfahren zugewiesen (Schein-Hypnose und Hypnose, 24stündige Auswaschphase, Arme: Hypnose – Auswaschphase – Schein-Hypnose [n=11] / Schein-Hypnose – Auswaschphase – Hypnose [n=10]). Die Forscher bestimmten die Angst vor und nach der Intervention mittels STAI-6-Score) als primären Endpunkt.
Ergebnisse: Neunzehn (90,5%) Teilnehmer schlossen die Studie ab. Die Angst verringerte sich signifikant nach der Hypnose (STAI-6-Scores -23,8% [SD = 18,4%] Hypnose vs. -3,1% [32,8%] Scheinhypnose; χ2=8, P<0,01, Bayes-Faktor 5,5). Auch die Atemfrequenz nahm nach der Hypnose ab. Verbesserungen des SpO2 und der Borg Scores wurden nach beiden Bedingungen registriert.
Schlußfolgerung: Eine 15-minütige Hypnose-Sitzung verbesserte die Ängstlichkeit der Teilnehmer und senkte die Atemfrequenz (im Gegensatz zur Scheinhypnose). Die Verbesserung der Ängstlichkeit korrelierte mit einer Erleichterung der respiratorischen Belastung. Die Ergebnisse implizieren, daß Hypnose zur Verbesserung von Angstzuständen und Atemmechanik bei Patienten mit schwerer COPD beitragen kann.
Müssen Behandler im klinischen Dyspnoe-Management nach diesen Studienergebnissen nun allesamt eine Hypnose-Ausbildung beginnen?
Keineswegs! Viel ist schon gewonnen, wenn diese Studie den Blick für die therapeutische Kommunikation in Extremsituationen (wie Atemnot) schärft.
Denn Patienten (und Angehörige) befinden sich in solchen Extremsituationen durch Angst und Streß häufig in einer spontanen natürlichen Trance. In diesem Zustand sind sie sehr zugänglich für Suggestionen: für negative und für positive.
Warum also nicht diese spontane natürliche Trance nutzen zum Wohle der Patienten (und Angehörigen)? Dazu reichen oft ganz einfache Formulierungen …
Die übliche Aufforderung an Atemnot-Patienten klingt mitunter mehr wie ein Befehl: „RUHIG ATMEN! Tief ein- und ausatmen! RUHIG ATMEN!“
Hilfreicher sind „Einladungen“ oder „Vorschläge“ – wie etwa eine indirekte Suggestion im Ein- und Ausatmungs-Rhythmus (nach Bejenke CJ – 3 Pünktchen stehen für Sprechpausen):
„Mit jedem Atemzug … können Sie den guten Sauerstoff aufnehmen, … der dem Körper so gut tut, … und mit jedem Ausatmen … können Sie die ganze verbrauchte Luft loswerden, … damit wieder Platz ist in der Lunge … für einen tiefen Atemzug, … mit dem Sie den Sauerstoff, und alles was Ihnen guttut, aufnehmen … und ausatmen die verbrauchte Luft, und alles was Sie jetzt nicht brauchen können, … und einatmen Ruhe und Zuversicht … und mit dem Ausatmen loslassen, was Sie bedrückt, … und einatmen Kraft und Sicherheit … usw.“
Diese indirekte Suggestion dauert vielleicht ein klein wenig länger als die Anweisung „RUHIG ATMEN!“ Aber sie nutzt die vorgegebene Situation und die verfügbare Zeit mutmaßlich effektiver zum Wohle des Patienten. Und das ohne formale Hypnoseinduktion – eventuell nur unterstützt durch körperlichen Kontakt (Druck auf die Flanken, der beim Einatmen leicht verringert und beim Ausatmen leicht verstärkt wird).
Eine weitere wirksame Suggestion für Patienten mit Atemnot und Angst nutzt die „Seufzer-Atmung“ (nach Kaiser Rekkas A):
„Wenn Sie mögen, atmen Sie einmal besonders tief und seufzend aus … Und lassen Sie sich jetzt entspannen, wirklich tief entspannen, während Sie ausatmen … nach so tiefem Ausatmen kann man nicht anders, als noch weiter zu entspannen … und einatmen und mit einem tiefen Seufzer ausatmen … Und diese Art von Seufzer ist ein deutlicher Hinweis, daß Sie es sich langsam innerlich gemütlicher machen … Das Ausatmen begleitet Sie in die Ruhe, und die Ruhe führt Sie in die Sicherheit …“
Welche Suggestion die Verfasser der o. a. Studie zum Einsatz von Hypnose beim Dyspnoe-Management verwendet haben, läßt sich nachlesen im Blog-Post „…..“
Wer sich als Behandler auf das Potential der hypnotischen Kommunikation einläßt, tut gut daran, zwei Prinzipien der Begleitung zu beachten und flexibel zu nutzen:
Als „Macher“ vermittelt ein solcher Behandler den Patienten (und Angehörigen) durch seine therapeutische Kommunikation: „Ich versuche alles Vertretbare und prüfe als Ihr Partner mit Zuversicht und Hoffnung jede Option der zukünftigen Entwicklung.“
Als „Gärtner“ vermittelt er in einer Situation, wenn nichts mehr vorwärts zu gehen scheint: „Ich unterstütze Sie bei einem gelasseneren Umgang mit der Realität, d. h. bei Ihrer Fähigkeit, statt Unerwünschtes zu bekämpfen, auf Gewünschtes und Mögliches zu fokussieren.“
Hilfreich für eine gelingende therapeutische Kommunikation ist (nicht nur für „Gärtner“) ein hypno-systemisches Verständnis der Beschwerdesymptomatik.
Jedes präsentierte Problem ist – systemisch betrachtet – zunächst einmal eine „Lösung“ und zwar: die momentan bestmögliche Lösung.
Andererseits verursacht eben diese momentan bestmögliche Lösung Beschwerden und Leiden und stößt dadurch die Suche nach „besseren Lösungen“ an.
Diese Suche kann ein Behandler durch hypnotherapeutische Kommunikation unterstützen. Beispielsweise, indem er die Aussage des Patienten: „Es geht nicht mehr!“ um eine bisher vernachlässigte Perspektive erweitert: „Es geht nicht mehr … so, wie Sie es bisher probiert haben!“
Und dann kann er sich gemeinsam mit dem Patienten auf die ergebnisoffene Suche machen nach „noch besseren Lösungen“…
Hoffentlich ist durch die bisherigen Anregungen der Mut gewachsen ist, gerade Patienten mit Atemnot und Angst eine Möglichkeit der Selbst-Hypnose zu vermitteln. Dazu eignet sich die Imagination „Guter innerer Ort“. (Anleitungen dazu beispielsweise bei Reddemann L: Imagination als heilsame Kraft)
Es genügt häufig, den Patienten „en passant“ dazu aufzufordern, sich an einen guten inneren Ort zu begeben und – dort angekommen – zu verweilen und diese angenehme Erfahrung in seinem Körper mit einem Signal zu verankern (einem Signal, das ihm die „unbewußte Weisheit seines Körpers“ an der passenden Stelle und zur rechten Zeit zeigen werde).
Wichtig ist, dem Patienten zu vermitteln, daß in ihm alle Kraftquellen vorhanden sind, um Erfahrungen von Kompetenz und Selbstwirksamkeit zu machen – beispielsweise auch durch Selbst-Hypnose.
Wie das gelingen kann, beschreibt ein Blog-Post zum Thema „Atemnot und Angst: Sofort-Hilfe durch Hypnose" für Patienten und Angehörige.
Wer jetzt noch eine Ermutigung zum Einsatz von hypnotischer Kommunikation mit Patienten und Angehörigen in Belastungssituationen (wie bei Atemnot und Angst) benötigt, findet diese vielleicht durch das folgende Zitat von Milton H. Erickson:
„Hypnose ist im Grunde nichts anderes als die Vermittlung von Gedanken und Erkenntnissen an den Patienten in einer Weise, die gewährleistet, daß er für die dargebotenen Gedanken in höchstem Maße empfänglich und somit motiviert ist, seine eigenen körperlichen Potentiale für die Kontrolle seiner psychischen und physischen Reaktionen und Verhaltensweisen zu explorieren.“