Wie COVID-19 verläuft, hängt auch von den Vorerkrankungen der Patienten ab. Besonders Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielen hier eine Rolle. Jetzt gibt's Neues zu den kardiovaskulären Spätfolgen.
In den letzten Wochen hat die Zahl der wegen COVID-19 auf Intensivstationen behandelten Patienten in Deutschland wieder deutlich zugenommen. Am 6. April 2021 meldet das Intensivregister 4.355 COVID-Patienten in intensivmedizinischer Betreuung, 2.397 müssen invasiv beatmet werden.
Vor allem durch die lange Beatmungs- und Liegedauer grenzen sich die COVID-Fälle von anderen schweren Atemwegserkrankungen ab. Überlebende Patienten bleiben im Mittel 21 Tage lang intubiert an den Beatmungsgeräten angeschlossen, Patienten mit schwerem Atemnotsyndrom sogar 26 Tage. Die Sterberate dieser Patienten ist hoch: 72 % der invasiv beatmeten Patienten über 80 Jahren versterben im Laufe der Behandlung, in der Altersgruppe der 18- bis 59-jährigen sind es 27,7 %, wie eine Studie mit mehr als 10.000 Patienten zeigte. Männer müssen doppelt so häufig invasiv beatmet werden wie Frauen.
„Die Überlebenden Patienten haben allerdings auch nach der überstandenen COVID-19-Erkrankung einen langen Weg bis zur Genesung vor sich“, berichtet Prof. Uwe Janssens, Präsident des DIVI, in einer Pressekonferenz. „Aufgrund der sehr langen Behandlungsdauer auf der Intensivstation bildet sich bei überlebenden Patienten einer COVID-19-Erkrankung ein schweres Postintensivsyndrom aus.“ Dieses Syndrom ist vor allem durch eine ausgeprägte Muskelschwäche und erhebliche Störungen der Sensibilität gekennzeichnet.
Die Therapieoptionen bei diesen schweren COVID-Verläufen sind nach wie vor sehr eingeschränkt. Einzig und allein eine Therapie mit Kortikosteroiden wie Dexamethason kann empfohlen werden. Therapien mit antiviralen Substanzen wie Remdesivir bleiben der Frühphase der Erkrankung vorbehalten.
„Es ist sehr gut bekannt, dass der Verlauf von Patienten mit einer COVID-19-Erkrankung in erheblichem Umfang von den Begleiterkrankungen abhängt“, so Janssens. „Hierzu zählen insbesondere die der Kardiologie wohlbekannten Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Adipositas, eine vorbestehende koronare Herzerkrankung und eine vorbestehende Herzinsuffizienz. Diese Vorerkrankungen haben eine signifikante Bedeutung für die Prognose der Patienten mit COVID-19.“
Die bei COVID-19 beobachtete ausgeprägte Entzündungsreaktion im gesamten Organismus kann bei Vorerkrankungen der Gefäße, besonders der Herzkranzgefäße zu einer Aktivierung von sogenannten Plaques in den Kranzgefäßen führen. Dies führt zu einer Thrombosebildung und diese wiederum häufig zu einem Herzinfarkt. Auch lokale Durchblutungsstörungen werden beobachtet, die ein akutes Koronarsyndrom wie den Herzinfarkt weiter verschlimmern können.
Die systemische Entzündungsreaktion führt außerdem häufig zu einer entzündlichen Reaktion der kleinsten Gefäße, woraus sich Mikrothrombosen entwickeln können. In der Behandlung von COVID-19-Patienten spielt die Thomboseprophylaxe daher eine wesentliche Rolle.
Inwieweit das Virus im Herzgewebe selbst vorhanden ist und was dies für mögliche Spätfolgen bedeuten könnte, hat Prof. Dirk Westermann vom UKE Hamburg untersucht. In einer Autopsiestudie, die bereits über einen längeren Zeitraum läuft, konnte er das Virus bei etwa 40 % der verstorbenen Patienten im Herzgewebe nachweisen. Seine Ergebnisse zeigen aber auch, dass bei diesen Patienten keine Herzmuskelentzündung vorlag, die Patienten mit einer kardialen Infektion allerdings schneller an COVID-19 verstarben als Patienten ohne kardiale Infektion.
Westermann betont: „Trotz dieser Erkenntnisse gibt es derzeit immer noch mehr Lücken als Wissen über die Auswirkungen einer COVID-19-Erkrankung auf das Herz. Beispielsweise liegen bisher keine Daten für überlebende Patienten vor. „Das hieran weiter geforscht wird, ist wichtig“, sagt Westermann. „So könnte auch die Frage geklärt werden, ob das Herz bei schweren Verläufen auch besonders schwer betroffen ist oder ob es auch bei milden Verläufen einen langfristigen Einfluss von SARS-CoV-2 auf das kardiovaskuläre System gibt.“
Es gebe auch gute Zeichen, so der Kardiologe. Es gebe bisher keine Daten, die belegen, dass man nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 an einer Herzinsuffizienz erkranke. Ob sich die häufig beschriebenen Erschöpfungssymptome nach COVID-19 durch eine von SARS-CoV-2 ausgelöste kardiale Erkrankung erklären ließen, sei noch völlig unklar.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung. Mehr Infos findet ihr hier und hier.
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