Cyanobakterien liegen nicht in Reinkultur vor, Proben sind oft mit weiteren Bakterienarten verunreinigt. Jetzt fand ein Forscherteam heraus: Diese vermeintliche Kontamination ist ein Abbild großer Komplexität.
Forschende rund um Dr. Jörn Petersen und Dr. Boyke Bunk der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ, Leibniz-Institut) in Braunschweig haben in einem interdisziplinären Ansatz drei verschiedene Cyanobakterien und ihre assoziierten Mikroorganismen untersucht. Zeitgleich konnten sie die Stellung dieser wichtigen Cyanobakterien im Stammbaum des Lebens bestimmen. Die Forschungsergebnisse publizierte das Team in einer Sonderausgabe des Fachmagazins Genes mit dem Schwerpunkt Metagenomik.
Eine zeitgemäße taxonomische Charakterisierung von Cyanobakterien ist außerordentlich schwierig. Sie sind seit Jahrzehnten ein Zankapfel von Mikrobiologen und Botanikern und infolgedessen in Bezug auf ihre Verwandtschaftsbeziehungen bisher nur unzureichend untersucht. In einem kombinierten Ansatz aus Mikrobiologie, Metagenomik und Bioinformatik haben die Forschenden aus Braunschweig nun exemplarisch drei verschiedene Cyanobakterien näher untersucht.
„Die Herausforderung dabei ist, dass die Cyanobakterien nicht in Reinkultur vorliegen“, erläutert Studienleiter Petersen. In ihrem Lebensraum, der Cyanosphäre, sind sie von vielen anderen, häufig unbekannten Bakterienarten umgeben. Ohne diese Mitbewohner, die früher oft als lästige Kontaminationen angesehen wurden, sind einige Cyanobakterien gar nicht in der Lage, zu überleben. Aber eben diese komplexe Lebensgemeinschaft macht die Charakterisierung des zentralen Cyanobakteriums auf der genetischen Ebene so schwierig, da keine reine DNA isoliert werden kann.
Erst die Kombination verschiedener bioinformatischer Methoden erlaubte es den Forschenden, gesicherte Aussagen zur phylogenetischen Einordnung der untersuchten drei Cyanobakterien selbst sowie der Zusammensetzung der Cyanosphäre zu treffen. In ihrer Studie fanden die Forschenden bis zu 40 heterotrophe Bakterien, die von den Assimilaten eines einzigen fotosynthetischen Wirtes leben und sie entdeckten neben vielen neuen Arten bisher unkultivierter Bakterien auch mehr als ein Dutzend neuer Genera.
In den vergangenen Jahren erlaubten Metagenom-Studien exotischer Lebensräume wie der Tiefsee oder dem menschlichen Mikrobiom Einblicke in die Vielfalt unkultivierter Mikroorganismen. Laut Bioinformatiker Bunk liegt diese „dunkle Materie der Mikrobiologie“ bisher leider nur als digitales Vermächtnis zuvor isolierter DNA-Proben vor. Im Gegensatz dazu können in den Kulturen nun komplexe Lebensgemeinschaften untersucht werden, die sich über Jahrzehnte hinweg stabil unter Laborbedingungen erhalten haben. Eines der untersuchten Cyanobakterien, Stigonema ocellatum, wurde bereits vor über fünfzig Jahren im Allgäu aus einem Torfmoos isoliert.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Cyanosphäre einen großen Schatz an unmittelbar zugänglicher Biodiversität enthält, der bisher noch völlig unerschlossen ist. Die Erforschung der Cyanobakterien, ihrer engen Interaktionen mit den sie umgebenden Mikroorganismen und den Stoffwechselwegen steht noch ganz am Anfang. Wir sehen aber großes wissenschaftliches Potential auch für eine spätere biotechnologische Nutzung der Ressourcen“, fasst Petersen zusammen.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Leibniz-Instituts – Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Papaioannou Kostas, Unsplash