Nach vielen Auseinandersetzungen mit der Firma 23andMe hat die FDA nun einen neuen Gen-Selbsttest des Herstellers für medizinische Laien zugelassen. Dabei werden lediglich drei von mehr als 1.000 BRCA-Mutationen nachgewiesen. Wie hoch ist der Nutzen des Tests?
23andMe, ein US-amerikanisches Biotech-Unternehmen mit Sitz in Mountain View, Kalifornien, hat in den letzten Jahren mehrfach Schlagzeilen gemacht. Verbraucher konnten auf Basis von Speichelproben Teile ihres Erbguts sequenzieren lassen. Dabei werden rund 960.000 Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNPs, Single Nucleotide Polymorphisms) untersucht, die für persönliche Merkmale, Krankheiten oder für die Wirkung von Arzneistoffen relevant sind. Das sind genetisch in der Bevölkerung auftretende Varianten eines bestimmten Basenpaars, aber nicht neu auftretende Veränderungen (Mutationen). Durch moderne Technologien fiel der Preis von 999 auf zuletzt 99 bis 199 US-Dollar. Alle Analysen erhalten Laien über ein Online-Portal.
Ende 2013 stoppte die US Food and Drug Administration (FDA) alle Selbsttests mit dem Hinweis auf mögliche Risiken. Es gebe keine Sicherheit, dass korrekte Ergebnisse ausgegeben würden, hieß es in einem Schreiben. Daraus leiteten die Experten zwei mögliche Gefahren ab: Einerseits könnten sich Patienten mit falsch negativem Ergebnis in Sicherheit wiegen und keine weiteren Untersuchungen durchführen lassen. Andererseits bestehe die Gefahr, dass Laien bei positiven oder falsch positiven Ergebnissen gefährliche Behandlungen in Eigenregie durchführten. Im Antwortschreiben beteuerte 23andMe lediglich, man wolle alle offenen Fragen baldmöglichst klären. Zwischenzeitlich bot der Konzern nur Informationen zur eigenen Abstammung auf Basis genetischer Informationen für seine Kunden an. Dank neuer Daten hat die FDA Schritt für Schritt wieder grünes Licht gegeben. Mitte 2017 wurden Tests auf Parkinson- und Alzheimer-Risiken, auf Zöliakie, Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, erbliche Dystonie, Faktor XI-Mangel, Morbus Gaucher, Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel, hereditäre Hämochromatose und hereditäre Thrombophilie zugelassen.
Ab sofort darf 23andMe auch Tests vermarkten, um Mutationen in den Genen BRCA1 oder BRCA2 nachzuweisen. Ziel ist, mögliche Risiken von Brust- und Eierstockkrebs bei Frauen abzuschätzen. Wenn Männer die erwähnte Mutation aufweisen, ist ihr Risiko, an Brustkrebs oder Prostatakrebs zu erkranken, erhöht – das ist allerdings selten der Fall. Der Test basiert auch auf einer Speichelprobe. Erkannt werden aber nur drei von mehr als 1.000 bekannten BRCA-Mutationen. Laut einer älteren Studie tragen allerdings nur etwa zwei Prozent aller weiblichen Aschkenasim die Mutation. Diese Bevölkerungsgruppe setzt sich aus mittel-, nord- und osteuropäischen Juden zusammen, die nach Amerika ausgewandert sind. In allen anderen Ethnien liegt das Risiko bei maximal 0,1 Prozent.
Trotz ihres positiven Votums warnt die FDA weiterhin vor möglichen Fehlinterpretationen. Negative Ergebnisse schließen die Möglichkeit nicht aus, dass Patienten andere BRCA-Mutationen tragen könnten. Donald St. Pierre, Direktor des Office of In Vitro Diagnostics and Radiological Health am FDA Center for Devices and Radiological Health, spricht deshalb von „Vorbehalten“ seiner Behörde: „Der Test sollte nicht als Ersatz dafür verwendet werden, einen Arzt für Krebsvorsorgeuntersuchungen oder für die Beratung zu genetischen Faktoren und Lebensstil-Einflüssen zu konsultieren.“ In ihrer Stellungnahme weist die FDA auch darauf hin, Krebs werde mehrheitlich nicht durch erbliche Genmutationen verursacht, sondern u.a. durch Rauchen, Adipositas oder Hormone.
Für 23andMe stehen trotz aller Skepsis nun wieder neue Märkte offen. In Deutschland könnte das momentan aber noch schwierig werden. Laut Gendiagnostikgesetz (GenDG) dürfen entsprechende Untersuchungen nur von Ärzten durchgeführt werden (§ 7) und zwar nach vorheriger Aufklärung des Patienten (§ 9). Sobald alle Ergebnisse vorliegen, ist auch eine Beratung Pflicht (§ 10).