Beim Impftempo schwächelt Deutschland immer noch – auch weil massenhaft Impfdosen für Zweitimpfungen zurückgelegt werden. Dabei ist bereits die erste Dosis des Astra- oder Biontech-Impfstoffs sehr effektiv, wie neue Daten zeigen.
Immunologen rügen die Politik für das derzeitige Impftempo. Der Grund: Es würden massenhaft Impfdosen für Zweitdosen zurückgelegt, statt sie direkt zu verimpfen. „Impfstoff zurückzulegen ist angesichts der aktuellen Situation nicht mehr tragbar und kostet Menschenleben“, so Immunologe Carsten Watzl zur Augsburger Allgemeinen. Gleichzeitig zeigen Daten einer britischen Preprint-Studie jetzt: Bereits die erste Dosis des AstraZeneca- oder Biontech-Impfstoffs verhindert Infektionen und Übertragungen des Coronavirus in Pflegeheimen sehr effektiv. Die Ergebnisse im Überblick.
Bislang gab es nur wenige Daten dazu, wie wirksam Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 Bewohner von Pflegeheimen –die besonders gefährdet für schwere Verläufe sind – schützen. Ein Team des University College London (UCL) analysierte in einer großen Kohortenstudie die Corona-Infektionen von 10.412 Pflegeheimbewohnern. Alle Bewohner waren über 65 Jahre und im Durchschnitt 86 Jahre alt. Untersucht wurde der Zeitraum zwischen Dezember 2020 und Mitte März 2021. Die Forschenden schauten sich an, wie sich die Infektionszahlen in den Wochen nach der ersten Impfdosis im Vergleich zu den Infektionen, die vor der Impfung auftraten, entwickelten.
Ihr Ergebnis: Nach 28 bis 34 Tagen wiesen die Vakzine eine 56-prozentige Wirksamkeit auf. Nach 35 bis 48 Tagen stieg die Wirksamkeit auf 62 Prozent an. Die Ergebnisse waren für den Biontech- und den AstraZeneca-Impfstoff laut den Autoren der Studie vergleichbar. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Einzeldosis eine Wirkung hat, die vier Wochen bis mindestens sieben Wochen nach der Impfung anhält“, sagt Dr. Laura Shallcross, Beraterin für öffentliche Gesundheitsmedizin am Institut für Gesundheitsinformatik der UCL. Die Studie zeige auch, dass die Impfstoffe vor der hoch übertragbaren britischen Variante schützen, da diese während des Untersuchungszeitraums vorherrschte, so Shallcross.
Ein weiterer interessanter Aspekt der Studie: Einmalig Geimpfte seien wahrscheinlich auch weniger ansteckend. Dazu Dr. Peter English, ehemaliger Vorsitzender des BMA Public Health Medicine Committee: „Darüber hinaus schienen alle Infektionen, die nach der Impfung auftraten, eine geringere Viruslast zu haben – geringere Virusmengen auf den Tupfern, geschätzt anhand des Schwellenwerts für den PCR-Zyklus [...]. Es ist wahrscheinlich, dass Menschen mit geringerer Viruslast weniger ansteckend sind.“ Er sieht in der Studie einen weiteren Beweis dafür, dass Impfungen das Potenzial haben, eine Herdenimmunität zu erzeugen.
In Deutschland wirbt die Deutsche Gesellschaft für Immunologie schon seit Anfang des Jahres dafür, den Abstand zwischen erster und zweiter Impfdosis auszuweiten, um mit der Impfung von mehr Menschen starten zu können. Für Watzl ist klar: Das Zurücklegen von Impfstoffen in vielen Bundesländern und Impfzentren ist in der jetzigen Lage nicht tragbar. „Das heißt, wir verimpfen oft nur die Hälfte dessen, was möglich ist. Es sei jetzt an der Zeit „alles zu verimpfen, was da ist“.
Mit der Zweitimpfung könne gewartet werden, bis die nächste Lieferung eigetroffen ist. Das Problem stellt sich in den nächsten Wochen mit höherer Dringlichkeit, weil die Zahl der täglich neu gelieferten Impfstoffdosen in Kürze auf im Mittel über 700.000 deutschlandweit ansteigen wird.
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