Die Stigmatisierung von Krankheiten wie Lungenkrebs kann Patientinnen und Patienten davon abhalten, sich behandeln zu lassen. Das hat auch Auswirkungen auf die Verbreitung innovativer Therapien.
„Lungenkrebs ist mit einem spezifischen sozialen Stigma behaftet, weil er mit ihm Zigarettenkonsum assoziiert wird. Er wird häufig als eine Raucherkrankheit betrachtet, die selbst verschuldet und vermeidbar ist“, schreiben die Professorinnen Laura Grigolon von der Universität Mannheim und Laura Lasio von der McGill Universität in Montreal.
Einer kanadischen Untersuchung aus dem Jahr 2010 zufolge, räumten 22 % der Befragten ein, dass sie weniger Sympathie für Lungenkrebspatienten empfinden als für Patienten mit anderen Tumoren.
Die Behandlungsquote liegt bei Lungenkrebs-Patienten bei rund 25 %, während sie bei Dickdarmkrebs etwa 60 % erreicht. Demnach würden Lungenkrebs-Kranke im Vergleich zu anderen Patientinnen und Patienten deutlich seltener behandelt.
Obgleich in den USA Lungenkrebs für 32 % der Krebstoten verantwortlich ist, werden auf diese Krebsart nur 10 % der Forschungsgelder verwendet, heißt es mit Verweis auf weitere Studien.
Um die Auswirkungen der Stigmatisierung zu beurteilen, analysierten die Forscherinnen die Daten von Patienten im fortgeschrittenen Krankheitsstadium in Ontario über einen Zeitraum von zehn Jahren. Dazu nutzten sie detaillierte geographische Daten, um die Stigmatisierung in einem Modell des Patientennutzens einer Behandlung abzubilden.
Das Stigma wurde an dem Anteil der Patienten in der Nachbarschaft, die im Vorjahr diagnostiziert wurden und keine Behandlung erhielten gemessen. Auch wenn soziodemographische Faktoren wie Einkommen, Alter und Gesundheitszustand eine Schlüsselrolle für die Teilnahme an einer Behandlung spielten, sei soziales Stigma ein substantielles Hemmnis für eine Therapie.
Während Dickdarmkrebs mit Blick auf die Folgen einer unterlassenen Behandlung vergleichbar ist mit Lungenkrebs, spielt hier eine Stigmatisierung der Krankheit aber keine Rolle, stellten die Forscherinnen fest.
„Alles in allem liefern die Ergebnisse überzeugende Beweise, dass weniger Patienten aufgrund der Stigmatisierung behandelt werden, was wiederum die Verbreitung innovativer Behandlungen bremst und geringere Anreize für Investitionen in Forschung und Entwicklung setzt“, urteilen Grigolon und Lasio.
Umgekehrt würde die Beseitigung des Stigmas die Behandlungsquote steigern und zu mehr innovativen Therapien führen. Daher sollte das Thema Stigmatisierung bei der Ausgestaltung von Maßnahmen von Entscheidungsträgern in Betracht gezogen werden.
Dieser Text beruht auf einer Pressemitteilung der Universität Mannheim. Zur Originalpublikation gelangt ihr hier.
Bildquelle: Tommaso Zandri, unsplash.