Ein immuntherapeutischer Ansatz wird auch bei Krebserkrankungen immer wieder diskutiert. Jetzt ist eine neue Gentherapie erstmals in der Klinik zum Einsatz gekommen. Erhalten hat sie eine Patientin mit Multiplem Myelom.
Die Idee von einer neuen Gentherapie gegen Krebs kommt nun erstmals in der Klinik zum Einsatz. Vor einigen Wochen hat die erste Patientin mit Multiplem Myelom eine Infusion mit ihren T-Zellen bekommen. Die körpereigenen Immunzellen waren zuvor gentechnisch so verändert worden, dass ihre Rezeptoren den Krebs erkennen und bekämpfen können. Das Multiple Myelom ist eine der häufigsten Tumorerkrankungen der Knochen und des Knochenmarks.
Zwölf Patient*innen sollen in der auf zwei Jahre angelegten Phase-I-Studie behandelt werden. „Primär geht es jetzt darum nachzuweisen, wie sicher diese neue Form der Immun- und Gentherapie für die Patientinnen und Patienten ist“, sagt Prof. Antonio Pezzutto, der die Studie an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie am Campus Benjamin Franklin der Charité leitet. „Zwar glauben wir, Hinweise auf die Wirksamkeit des Therapieprinzips zu bekommen und hoffen auch, dass die Patientinnen und Patienten davon profitieren. Aber erst in der nächsten klinischen Phase kann gezielt die Wirksamkeit der Therapie an einer größeren Zahl von Betroffenen untersucht werden.“
T-Zellen überwachen unseren Körper und schützen ihn vor Krankheiten, beispielsweise durch Infektionen mit Viren. Infizierte Zellen verraten sich durch virale Antigene, die als typische Merkmale auf ihrer Oberfläche auftreten. Spürt eine T-Zelle ein Antigen mit Hilfe ihres Rezeptors auf, zerstört sie die befallene Zelle oder mobilisiert weitere Kräfte gegen sie. Auch bei Krebszellen sitzen spezielle Antigene auf der Oberfläche. Das Problem: Das Immunsystem erkennt diese oft nicht als entartet und bekämpft die Zelle nicht.
Das könnte sich mit der T-Zell-Gentherapie nun ändern, die Prof. Thomas Blankenstein, Leiter der Arbeitsgruppe „Molekulare Immunologie und Gentherapie“ am MDC gemeinsam mit seinem Team entwickelt hat. Die Forschenden wollen den T-Zellen der Studienteilnehmenden nun beibringen, Krebszellen als Eindringlinge zu identifizieren. „Unsere präklinischen Versuche deuten darauf hin, dass dies geschehen sollte, ohne dabei gesundes Gewebe der Patientinnen und Patienten zu schädigen“, sagt Blankenstein.
Als ersten Kandidaten für die Behandlung des Multiplen Myeloms nahm das Forschungsteam das Antigen MAGE-A1 ins Fadenkreuz – ein typisches Erkennungsmerkmal auf der Oberfläche von Krebszellen, das bei Multiplen Myelomen häufiger auftritt. Die Wissenschaftler*innen haben dafür einen spezifischen T-Zell-Rezeptor hergestellt. Er schafft es, das Antigen und somit die Krebszelle als entartet und gefährlich einzustufen.
Möglich war dies mit einer einzigartigen Technologieplattform, die Blankensteins Team für die Gentherapie entwickelt hat: eine transgene Maus mit ausschließlich humanem T-Zell-Repertoire. „Wird die transgene Maus mit einem menschlichen Antigen immunisiert, vermehren sich nur T-Zellen mit passgenauen Rezeptoren und können leicht isoliert werden“, sagt Blankenstein. „Auf diese Weise konnten wir den genetischen Bauplan von Rezeptoren menschlichen Ursprungs gewinnen, wie sie aus Menschen in der Regel nicht zu gewinnen sind. Die T-Zell-Rezeptoren werden dann zunächst einer Serie von Sicherheits- und Wirksamkeitstests unterzogen. Das ist für eine sichere Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Knochenmarkkrebs wichtig.“
Die Herstellung der Zellprodukte für die gesamte Studie erfolgt in der GMP-Facility für zelluläre Therapien am Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer Einrichtung, die auf die Produktion von Zell- und Gentherapeutika in Reinräumen spezialisiert ist. Zunächst entnahmen Ärzt*innen der ersten Patientin T-Zellen, die dann den Spezialist*innen vom ECRC übergeben wurden. Diese brachten die Erbinformationen des spezifischen Rezeptors in die körpereigenen T-Zellen ein, aktivierten und vermehrten sie.
Wenige Tage vor der Behandlung erhielt die Patientin eine Chemotherapie, um andere Immunzellen im Körper zu eliminieren. Der Angriff auf die Krebszellen ist dann besonders effektiv. Nach der Behandlung mit ihren gentechnisch veränderten T-Zellen wurde die Patientin für zwei Wochen stationär an der Charité überwacht und muss sich seither und auch in Zukunft regelmäßig für Untersuchungen vorstellen.
Neben MAGE-A1 hat das Team weitere vielversprechende Antigene entdeckt, die bei anderen Krebserkrankungen auftreten. T-knife wird nun passende Rezeptoren herstellen und testen. So sollen zukünftig immer mehr Patient*innen von der Gentherapie von MDC und Charité profitieren können. „Wir schauen mit Spannung auf die Studienergebnisse und hoffen, dass wir mit dieser Gentherapie eine neue und vielversprechende Möglichkeit gewinnen, Krebserkrankungen künftig besser zu bekämpfen“, sagt Blankenstein.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft.
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