Nach dem Hormonstatus fragen viele Frauen in meiner Praxis. Nicht immer ist eine Analyse sinnvoll. In welchen Fällen es in der Gynäkologie nicht ohne Hormonstatus geht, lest ihr hier.
Der Wunsch, einfach mal den Hormonstatus zu bestimmen, bewegt viele meiner Patientinnen. Verständlich, dass gerade in Übergangsphasen wie zu Beginn der Wechseljahre oder nach dem Absetzen einer Kontrazeption, ein Abbild der hormonellen Situation gefordert wird.
Vergessen wird dabei, dass Hormonwerte Schwankungen unterliegen und als Momentaufnahme zu sehen sind. Experten fordern daher, dass eine Hormonanalyse grundsätzlich immer aufgrund einer klinischen Indikation erfolgen sollte. Das Ergebnis ist anschließend in Kontext mit den klinischen Symptomen zu stellen, um mögliche Fehlerquellen auszuschließen. Die Therapie orientiert sich in erster Linie an den klinischen Symptomen, auffällige Hormonwerte untermauern die Diagnostik.
Ein einzelner Befund entscheidet nicht unbedingt zwischen pathologisch und gesund, sondern wird im Zusammenhang mit der Klinik und der Fragestellung interpretiert. Dieses Gesamtbild relativiert den Wunsch nach einer Hormonanalytik ohne nennenswerte Klinik.
Eine Hormonbasisdiagnostik (1) erfolgt am Zyklusbeginn, bevorzugt am 2.- 5. Zyklustag. Wichtige Parameter sind FSH, LH, Östradiol, Testosteron, SHBG, DHEAS, Prolaktin und TSH. Auch ein normaler Zyklus unterliegt individuellen Schwankungen und bewegt sich zwischen 25 und 35 Tagen. Die Follikelphase ist zunächst durch typischerweise niedrige Östradiol- und Gonadotropinspiegel gekennzeichnet, die im weiteren Verlauf kurz vor und während der Ovulation einen Peak erfahren. Die zweite Zyklushälfte, auch als Lutealphase bezeichnet, wird durch einen ansteigenden Progesteronspiegel aus dem Corpus luteum bestimmt.
Zyklusstörungen wie Verkürzung oder Verlängerung der normalen Intervalle, aber auch Blutungsanomalien im Sinne von Zwischenblutungen oder gänzliches Abweichen von einem normalen Zyklusgeschehen, machen Hormonanalysen sinnvoll. Störungen in der Pubertätsentwicklung im Sinne einer verfrühten (Pubertas praecox) oder verspäteten (Pubertas tarda) Entwicklung sind Indikationen für eine Hormonanalyse.
Auch werden Sterilitätsprobleme zunächst durch eine Hormonbasisdiagnostik analysiert, bevor spezielle Untersuchungen in einem reproduktionsmedizinischen Zentrum folgen.
Eine hypergonadotrope Konstellation weist auf eine ovarielle Störung hin, etwa eine niedrige oder erloschene Ovarreserve. Auch beim Turner-Syndrom werden hohe FSH- und LH-Spiegel gemessen. Eine hypogonadotrope Konstellation kommt bei hypophysären oder hypothalamischen Störungen vor. Hier können ein Hypophysentumor oder eine Essstörung ursächlich sein.
Bei Amenorrhoe oder kurzzeitig unklaren Blutungsstörungen sollte immer an eine Schwangerschaft bzw. möglicherweise gestörte Frühschwangerschaft gedacht werden. Der Goldstandard hierbei sind Beta-HCG Bestimmungen im Verlauf.
Nicht hormonelle Ursachen wie Myome, Polypen oder maligne Veränderungen am Uterus müssen ausgeschlossen werden.
Hyperandrogenämie ist ein häufiges Problem in der gynäkologischen Praxis. Hinweiszeichen können Androgenisierungserscheinungen (Akne, Hirsutismus, Alopezie) oder ein PCO-Syndrom sein. Wichtige Laborparameter sind Testosteron, DHEAS, Androstendion und SHBG. Die Bestimmung erfolgt auch hier am Zyklusbeginn.
Bei Erhöhung der adrenalen Androgene (DHEAS, Androstendion) sollte ein Cushing-Syndrom durch Bestimmung des basalen Cortisols ausgeschlossen werden.
Prolaktin wird im Hypophysenvorderlappen gebildet und unterliegt zyklusabhängigen Schwankungen. In der gynäkologischen Praxis zeigt sich eine Hyperprolaktinämie klinisch durch Zyklusstörungen und eine Galaktorrhö. Die Medikamentenanamnese ist wichtig, da Substanzen wie etwa Antidepressiva, Neuroleptika, Antihypertonika, Magentherapeutika oder Ovulationshemmer den Prolaktinspiegel erhöhen können. Gutartige Tumoren der Hypophyse, die in Mikro- (< 10 mm) und Makroprolaktinome (≥ 10 mm) eingeteilt werden, können mittels Bildgebung diagnostiziert werden. Kopfschmerzen und Gesichtsfeldeinschränkungen sind hier zielführende Symptome. Ein craniales MRT wird bei Prolaktin-Werten > 50 ng/ml bzw. >1200 mIU/l empfohlen. (1)
Die Blutabnahme sollte vor der gynäkologischen Untersuchung und möglichst stressfrei erfolgen.
Dazu eignen sich FSH, Östradiol (in der frühen Follikelphase) und das Anti-Müller-Hormon (AMH). AMH korreliert mit dem Primordialfollikelpool und hat einen Peak um das 25. Lebensjahr. Danach sinkt es langsam ab. Ein AMH unterhalb der Nachweisgrenze bedeutet aber nicht, dass nun die Menopause eingetreten ist. Selbst unterhalb der Nachweisgrenze können noch ovulatorische Zyklen stattfinden. Zur Abschätzung der natürlichen Fertilität scheint AMH nur eingeschränkt hilfreich, allerdings korreliert es mit der Anzahl der gewonnenen Eizellen nach Stimulationstherapie. (1)
Der FSH-Wert ist ein Parameter, um die Antikonzeptionsberatung im Klimakterium zu konkretisieren:
Ist der FSH-Wert zwei Mal im Abstand von 6 Wochen ≥30 IU/l, dann kann eine über 50-jährige Frau nach 1 Jahr Amenorrhoe auf eine Kontrazeption verzichten. Ist die Frau noch unter 50 Jahren, sollte die Amenorrhoe zwei Jahre betragen (2).
Ein besonders sensibler Bereich sind Hormonbestimmungen im Klimakterium. Die mediale Aufmerksamkeit ist hoch, dementsprechend vehement sind oftmals die Forderungen. Selbst ohne klinisch auffällige Symptomatik und mit dem Hinweis, dass Hormonprofile nur eine Momentaufnahme darstellen, wird der Wunsch nach Hormonanalysen mit Nachdruck geäußert.
Die S3-Leitlinie zur Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen (3) sieht das differenzierter:
„Die Peri- und Postmenopause bei über 45-jährigen Frauen soll aufgrund klinischer Parameter diagnostiziert werden. Eine Bestimmung des FSH zur Diagnose der Peri- und Postmenopause soll nur bei Frauen zwischen dem 40. und 45. Lebensjahr mit klimakterischen Symptomen (z. B. Hitzewallungen, Zyklusveränderungen) sowie bei Frauen unter 40 Jahren mit Hinweisen auf vorzeitige Ovarialinsuffizienz erfolgen. Die verschiedenen Phasen des menopausalen Übergangs können überwiegend aufgrund klinischer Kriterien diagnostiziert werden. Hormonbestimmungen sind in der Regel nicht erforderlich.“
Die Frage nach einer Hormonbestimmung unter Hormonersatztherapie bleibt unbeantwortet. In der Praxis wird sie von Kollegen zum Austarieren der Therapie eingesetzt, andere gehen allein nach klinischen Kriterien vor.
Einige Hormonparameter sind richtungsweisend in der Tumordiagnostik. Die Östradiolwerte können bei einem Granulosazelltumor pathologisch verändert sein, abweichende Progesteronwerte deuten auf einen Thekazelltumor oder ein Chorionepitheliom hin. Androgenbildende Tumore können durch rasch progrediente Androgenisierungssymptome und hohe Testosteron- oder DHEAS-Spiegel auffallen. Beta-HCG dient unter anderem als Tumormarker bei einem Chorionkarzinom und bei Keimzelltumoren des Ovars.
Hormonbestimmungen liegen im Trend und werden mit Nachdruck eingefordert. Sinnvoll ist es, klinische Normabweichungen laboranalytisch abzuklären. Darunter fallen Zyklusstörungen in der fertilen Lebensphase, Abweichungen bei der Pubertätsentwicklung, genetische Alterationen, Androgenisierungserscheinungen und eine Galaktorrhoe. Bei einer gestörten Frühschwangerschaft kann der Beta-HCG Verlauf ein wichtiger Diagnoseparameter sein. Hormonbestimmungen sind sowohl in der Reproduktionsmedizin, als auch in der Tumordiagnostik ein entscheidender Stützpfeiler der Therapie.
Frauen, die sich zu Beginn des Klimakteriums befinden, sind häufig verunsichert und möchten eine Bestimmung ihres Hormonprofils. Die aktuelle S3-Leitlinie setzt hier in erster Linie auf klinische Kriterien. Wann eine Hormonbestimmung wirklich Sinn macht, wird in der täglichen Praxis kontrovers diskutiert.
Literatur:
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