Der einzige Weg aus der Pandemie ist das Impfen. Genau hier begehen wir in Deutschland derzeit einen gravierenden Fehler, der sich leicht beheben ließe.
Aktuell erinnert mich die Situation in Deutschland wieder daran: Wir haben eine Pandemie, für die es keine so richtige „Leitlinie“ gibt, sondern unsere Maßnahmen dynamisch immer wieder anpassen müssen.
Es gibt in der Medizin ja immer wieder Situationen, für die man keine gültige Leitlinie hat, aber trotzdem helfen möchte. Beispiele dazu hatte ich in einem früheren Beitrag schon genannt. Bei einzelnen Patienten gibt es dann das Konzept des „individuellen Heilversuchs“. Voraussetzung ist, dass
Also wenden wir dieses Konzepte mal auf unsere aktuelle Situation an: Es gibt für eine Pandemie keine richtige Therapie – das ist (glücklicherweise!!!) unsere allererste Pandemie und hoffentlich wird es in unserer Lebenszeit auch unsere einzige bleiben.
Die Eigenschaften von SARS-CoV-2 haben uns alle aus der Bahn geworfen: Die relativ langen Inkubationszeiten, Ansteckungen vor Symptombeginn oder asymptomatische Verläufe machen es verdammt schwer. Und auch wir sehen in unserer Hausarztpraxis immer wieder teils schwere bis tödliche Verläufe – und das eben nicht nur bei den alten und stark vorerkrankten Patienten, sondern auch bei relativ jungen. Von den Langzeitfolgen ganz zu schweigen.
Damit können wir also mit Recht sagen, dass die erste Bedingung erfüllt ist: Eine in Deutschland etablierte, gut wirksame Therapie gegen die SARS-CoV2-Pandemie gibt es nicht. Ja, es gibt die symptomatische Lockdown-Therapie, die aber eher als palliativ zu werten ist. Sie vermindert vielleicht die Ansteckung, aber eine wirkliche Heilung, indem wir das Virus loswerden, stellt sie nicht dar (und hat definitiv ihre heftigen Nebenwirkungen an vielen anderen Stellen).
Es gibt aber eine Therapiealternative, die in anderen Ländern wie Israel und Großbritanien ihre Wirksamkeit immer deutlicher zeigt: Impfen, was das Zeug hält.
Was läuft dort anders? Es wird sehr pragmatisch geimpft. Möglichst viele in möglichst kurzer Zeit. Und wenn noch was übrig ist, wird im Notfall draußen gefragt, wer noch keine Impfung hatte, bevor der Impfstoff verfällt. Heißt: Im Gegensatz zum deutschen „Hauptsache korrekt“, gilt dort „Hauptsache schnell und viele“. Und dieser „Therapieansatz“ funktioniert, in Israel fallen die Infektionsfälle mehr oder weniger exponentiell.
Somit ist auch die zweite oben genannte Bedingung erfüllt: Es hilft allen, wenn möglichst schnell geimpft wird. Im Endeffekt geht es um den Unterschied zwischen individuellem Schutz („möglichst korrekt die richtigen Impflinge identifzieren“) und Gemeinschaftsschutz („wenn ich möglichst viele in kurzer Zeit impfe, schütze ich damit auch die Schwachen“). Natürlich sollte eine gewisse Priorisierung sein, die ja in diesen Ländern auch praktiziert wird (wenn auch deutlich grober als in Deutschland). Aber die Neid-und-Bürokratie-Debatte, die hier gerade geführt wird, lähmt uns mehr, als sie nutzt. Sobald eine Gruppe die Impfung zugesagt bekommt, schimpft die nächste, dass sie doch viel wichtiger sei.
Lasst uns bitte den individuellen Heilansatz versuchen: Möglichst schnell Impfen, in möglichst viele Arme. In Israel haben wohl die Krankenhäuser geimpft, hier bieten sich die niedergelassenen Primärversorger anbieten: Hausärzte, aber auch Frauen- und Kinderärzte. Die verschiedenen Ärzte verimpfen jedes Jahr Millionen von Impfungen. Lasst bitte alle helfen – schnell und unbürokratisch, wie in anderen Ländern auch. Als individuellen Heilversuch für unsere Gesellschaft!
Unser größter Fehler ist der Anspruch auf Fehlerlosigkeit. Wird es Fehler geben? Ja, wir sind alle (nur) Menschen. Aber die Frage ist, was schwerer wiegt: die Lähmung, um Himmels Willen nichts falsch zu machen (und damit Gefahr zu laufen, dass einfach Impfstoff weggeworfen und gar nicht verimpft wird) oder die wenigen Fehler zu tolerieren für das „große Ganze“, nämlich das zügige Impfen. Ja, Risikoabschätzung ist relativ und sicher werden einige Fehleinschätzungen passieren. Andererseits ist das in den wenigsten Fällen böser Wille, sondern meistens einfach subjektives Empfinden. Die allermeisten Ärzte wollen helfen.
Also los, lasst uns das Problem lösen mit der Therapie, die andere vorgemacht haben: etwas gröbere Priorisierung, weniger Bürokratie, dafür zügiges Impfen. Denn das ist doch das Fazit: Wir sitzen alle in diesem Pandemie-Boot. Nicht allein, sondern gemeinsam.
Bildquelle: CHUTTERSNAP, Unsplash