Saarbrücker Forscher haben eine neuartige Strategie zur Behandlung eines Krankenhauskeims entwickelt. Die gezielte Behandlung vom bakterieneigenen Biofilm soll vor allem Antibiotikaresistenzen vorbeugen.
Das Bakterium Pseudomonas aeruginosa ist in der Lage, fast jeden Teil des menschlichen Körpers zu besiedeln und eine Vielzahl von Infektionskrankheiten, z. B. Lungenentzündungen, zu verursachen. Der Grund für den Erfolg des Bakteriums liegt unter anderem in seiner Fähigkeit, Biofilme zu produzieren und sich darin einzunisten. Seine Bekämpfung stellt vor allem Krankenhäuser vor eine große Herausforderung.
Die Behandlung von Infektionen mit dem Bakterium gestaltet sich meist schwierig, da der Biofilm es nicht nur vor Zellen des Immunsystems, sondern auch vor Medikamenten wie Antibiotika schützt. Zudem treten in der EU bei rund zehn Prozent aller Pseudomonas-Infektionen Resistenzen gegen drei oder mehr der geläufigen Antibiotikaklassen auf, was die Lage zusätzlich verschärft.
Dr. Martin Empting und sein Team vom Helmholtz-Institut Saarland (HIPS) haben nun eine innovative Methode entwickelt, um die Ausbildung dieser Biofilme zu stören und somit die Behandlung von Infektionen mit Pseudomonas zu erleichtern.
Statt die krankmachenden Bakterien wie bei üblichen Ansätzen zu töten, werden sie zunächst entwaffnet. Das bedeutet, dass die Kommunikation zwischen den einzelnen Bakterien unterbunden wird.
Empting erklärt: „Pseudomonas aeruginosa bildet nur dann Biofilme und krankmachende Moleküle in großem Maße aus, wenn sich eine ausreichende Anzahl an Bakterien zusammenfindet. Um zu wissen, wann dieser Zeitpunkt erreicht ist, müssen die Erreger miteinander kommunizieren. Unsere neu entwickelten Substanzen greifen an dem Protein PqsR, einem wichtigen Bestandteil des Kommunikationssystems von Pseudomonas aeruginosa, an und stören dadurch die Bildung des Biofilms sowie einiger bakterieller Toxine.“
Können die Bakterien keinen Biofilm mehr produzieren, sind sie besser zugänglich – sowohl für Zellen des menschlichen Immunsystems als auch für konventionelle Antibiotika.
Werden die neuartigen PqsR-Inhibitoren vor der Verarbreichung zusätzlich mit dem Antibiotikum Tobramycin in speziell entwickelten Nanopartikeln verpackt, sinkt außerdem die zur Bekämpfung des Biofilms notwendige Dosis des Antibiotikums – sogar um das mehr als 30-Fache.
„[Der Wirkstoff] muss möglichst gezielt und in hoher Konzentration seinen Wirkort erreichen, da er andernfalls möglicherweise unerwünschte Effekte und vor allem die Ausbildung von Resistenzen fördert. Dazu müssen verschiedene biologische Barrieren überwunden werden, wie in diesem Fall die Lunge selbst, die von den Bakterien gebildeten Biofilme, aber auch die bakterielle Zellwand. Hierbei können Nanocarrier einen erheblichen Beitrag leisten.“, sagt Prof. Claus-Michael Lehr vom HIPS.
Basierend auf den bisherigen Ergebnissen zeigen die neuen Wirkstoffe hohes Potenzial für eine Anwendung bei Infektionen der Lunge.
Neben der potenten Aktivität der entwickelten Moleküle legten die Forscher außerdem einen besonderen Fokus auf deren Verträglichkeit und die Vermeidung von möglichen Nebenwirkungen.
Prof. Rolf Müller, Direktor des HIPS, sieht ebenfalls großes Potenzial in den entwickelten Substanzen: „Diese neuen Moleküle sind ein hervorragender und innovativer Ansatz im Kampf gegen resistente Erreger und Infektionskrankheiten im Allgemeinen. Da sie Erreger nicht direkt abtöten, besteht auch ein deutlich geringerer Selektionsdruck. Das gibt uns Grund zur Hoffnung, dass sich Resistenzen nur deutlich langsamer entwickeln als bei Antibiotika.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland. Die Originalpublikation haben wir euch hier verlinkt.
Bildquelle: Landon Arnold, Unsplash