Dass Antikörper teilweise nicht mehr effektiv an die mittlerweile verbreiteten Virusvarianten binden können, macht vielen Wissenschaftlern Sorge. Jetzt gibt es erste Studiendaten zur T-Zell-Immunität.
Ob und warum die derzeit kursierenden neuen Virusvarianten von SARS-CoV-2 resistenter gegen eine durch Impfung oder durchgemachte Infektion vorhandene Immunität sind, wird zur Zeit weltweit intensiv erforscht. Eine Anfang des Monats auf dem Preprint-Server bioRxiv veröffentlichte Studie liefert erste Erkenntnisse zur T-Zell-immunität, die Hoffnung machen.
Ein Exkurs in die Immunologie (falls diese hinreichend bekannt ist, gerne diesen Absatz überspringen): Während die durch B-Zellen produzierten Antikörper an Viruspartikel binden und diese für u. a. Fresszellen als fremd markieren, können T-Zellen infizierte Zellen aufspüren und beseitigen. Beide Systeme ergänzen sich und bekämpfen Krankheitserreger auf eine sehr effiziente Art und Weise.
Dazu erkennen T-Zellen Bestandteile von Virus-Bausteinen, die auf der Oberfläche infizierter Zellen präsentiert werden. Bei von einer Infektion genesenen Person sind das Bestandteile des gesamten Virus, nach einer Impfung nur Teile des Spike-Proteins. Sie erkennen diese Antigene über einen spezifischen Rezeptor, den T-Zell-Rezeptor (TCR). Die Molekülabschnitte eines Antigens, die eine spezifische Immunantwort auslösen können, werden als Epitope bezeichnet.
Die stabile Bindung einer T-Zelle an die Antigen-präsentierende Zelle erfordert außerdem die Beteiligung bestimmter Proteine – CD4 und CD8 (CD = Cluster of Differentiation).
T-Lymphozyten, die das Merkmal CD4 tragen, werden auch als CD4-positive T-Zellen oder T-Helferzellen bezeichnet. Sie erkennen die Virusbestandteile und schütten daraufhin Zytokine aus, welche weitere Komponenten des Immunsystems (z. B. Makrophagen und zytotoxische T-Zellen) aktivieren. Eine Untergruppe der T-Helferzellen sind auch die Regulatorischen T-Zellen. Sie regulieren die Selbsttoleranz, unterdrücken also in bestimmten Situationen die Aktivierung des Immunsystems.
Die CD8-positiven zytotoxischen T-Zellen sind essentiell für die Immunabwehr gegen Viren, intrazellulär persistierende Bakterien, einige Pilze und Protozoen sowie Tumorzellen. Sie sind allerdings auch für pathologische Immunantworten wie bei Autoimmunerkrankungen oder chronische Entzündungen verantwortlich. Erkennen diese ein Antigen auf einer Zelloberfläche, setzten sie eine Kette von Reaktionen in Gang, wie z. B. die Ausschüttung zytotoxischer Proteine wie Perforin oder Granzyme oder lösen die Apoptose aus.
Die in diesem Jahr aufgetretenen und sich zügig ausbreitenden Varianten von SARS-CoV-2 weisen vielzählige Mutationen auf. Mehrere dieser Mutationen beeinflussen direkt die Bindungsaffinität des ACE2-Rezeptors, was sich auf die Infektiosität, die Viruslast oder die Übertragbarkeit von SARS-CoV-2 auswirken kann. Einige Mutationen sind in Regionen, die von neutralisierenden Antikörpern gebunden werden. Zur Beurteilung der Lage ist es deshalb wichtig zu untersuchen, inwieweit die mit den Varianten verbundenen Mutationen die durch Impfung oder überstandene Erkrankung erlangte Immunität beeinflussen. Zur humoralen Immunität (durch Antikörper vermittelt) gab es bereits zügig Ergebnisse, die ernüchternd waren. Hoffnung machen jetzt aber Ergebnisse zur T-Zell-Immunantwort.
In der US-amerikanischen Studie wurden SARS-CoV-2-spezifische CD4+ und CD8+ T-Zell-Antworten von genesenen COVID-19-Patienten und von geimpften Probanden auf die ursprüngliche Virusvariante hin untersucht und mit den entsprechenden T-Zell-Reaktionen auf die Varianten B.1.1.7 (UK), B.1.351 (Südafrika), P.1 (Brasilien) und CAL.20C (Kalifornien, USA) verglichen. Die Geimpften hatten entweder den Impfstoff von Moderna (mRNA-1273) oder den von Pfizer/BioNTech (BNT162b2) erhalten.
Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass die meisten Virussequenzen, die als Epitope dienen, von den Mutationen der Varianten unbeeinflusst blieben. Hierfür wurde jeweils die T-Zell-Antwort auf das ursprüngliche Virus als auch auf die oben genannten Varianten im Blut genesener sowie geimpfter Probanden untersucht. Dabei gab es keine Unterschiede zwischen dem ursprünglichen Virus und den Varianten, d. h. alle wurden von den T-Zellen gleich gut erkannt.
„Es ist schon mehrfach gezeigt worden dass die Antikörperantwort bei den Varianten nicht mehr so gut ist, die T-Zell-Antwort scheint aber nach wie vor robust zu sein“, schreibt der Biochemiker Dr. Emanuel Wyler auf Twitter. Der Wissenschaftler vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin fasst die Ergebnisse in seinem Thread zusammen. „Das könnte eine Erklärung sein, warum die Impfstoffe auch bei den Varianten immer noch wirken, bzw. vor allem schwere Krankheitsverläufe, durch die nach wie vor funktionierende T-Zell-Antwort, verhindern.“
Mittlerweile wird bereits zu Impfstoffen der nächsten Generation geforscht. Sie sollen T-Zellen effektiv stimulieren können. Ein Team der Biotechnologie-Firma Gritstone Oncology aus Emeryville, Kalifornien, soll bereits an einem experimentellen Impfstoff arbeiten, der zusätzlich den genetischen Code für Fragmente mehrerer Coronavirus-Proteine enthält, von denen bekannt ist, dass sie T-Zell-Antworten auslösen. Die klinischen Versuche hierzu sollen noch im ersten Quartal 2021 beginnen.
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