Infolge von Schilddrüsen-Operationen kann es bei Patienten zu Kehlkopflähmungen kommen. Lichtpulse lösen im Mausmodell eine dauerhafte Kontraktion der Kehlkopfmuskeln aus. Eine mögliche Methode, mittelfristig Kehlkopflähmungen beim Menschen zu therapieren.
Muskeln reagieren auf Nervenimpulse, indem sie sich zusammenziehen. Durch Licht lässt sich diese Kontraktion normalerweise nicht auslösen. Vor einigen Jahrzehnten wurde jedoch in Grünalgen eine exotische Molekülgruppe entdeckt: die Kanal-Rhodopsine. Sie sind Schleusen für elektrisch geladene Teilchen, die sich bei Beleuchtung öffnen. Wenn man Kanal-Rhodopsine geeignet verpackt und in einen Muskel injiziert, werden sie in die einzelnen Muskelzellen eingebaut. Sobald man eine solche Zelle nun mit Licht reizt, öffnen sich die Kanäle. Es strömen positiv geladene Ionen in die Muskelzelle, die so zur Kontraktion angeregt wird. Dieses Funktionsprinzip ist schon seit einigen Jahren bekannt. Bereits 2010 hat die Bonner Arbeitsgruppe mit derselben Methode die Herzmuskulatur von Mäusen stimuliert. Kehlkopfmuskeln zählen jedoch zur Skelettmuskulatur. „Und für Skelettmuskeln gelten andere Gesetze“, betont der Leiter der Studie, Juniorprofessor Dr. Philipp Sasse. So lässt sich in der Skelettmuskulatur jede Zelle separat zur Kontraktion anregen. Auf diese Weise kann der Körper die ausgeübte Muskelkraft sehr fein steuern. Skelettmuskeln können zudem – anders als der Herzmuskel – auch Haltearbeit leisten: Werden sie sehr schnell hintereinander immer wieder gereizt, bleiben sie kontrahiert. „Wir haben nun erstmals zeigen können, dass wir durch Lichtpulse ebenfalls eine dauerhafte Kontraktion auslösen können“, sagt Dr. Tobias Brügmann, Erstautor der Studie. „Je nachdem, wohin wir den Lichtstrahl richten, können wir zudem einzelne Muskelgruppen reizen – genauso, wie es der Körper über die Nerven macht.“
Damit weist die Methode möglicherweise auch den Weg zu neuen Therapieansätzen. Profitieren könnten in einigen Jahren etwa Menschen mit einer Kehlkopflähmung. Zu dieser Störung kann es zum Beispiel nach Schilddrüsen-Operationen kommen, wenn durch den Eingriff die Kehlkopfnerven verletzt wurden. Bei einer vollständigen Lähmung können die Betroffenen nicht mehr atmen. Durch Verkabelung mit einem elektrischen Stimulator lässt sich die Kehlkopfmuskel-Funktion leider meist nicht wiederherstellen. „Dazu gibt es dort auf engem Raum zu viele verschiedene Muskeln“, erläutert der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. Tobias van Bremen, einer der Ko-Autoren der Studie. „Sie gezielt einzeln elektrisch zu stimulieren, ist so gut wie unmöglich.“ Die Beleuchtungs-Methode ist ein ganz neuer, viel versprechender Ansatz. Im Tierversuch haben die Bonner Mediziner bereits zeigen können, dass es tatsächlich funktioniert: Bei Mäuse-Kehlköpfen konnten sie durch Beleuchtung gezielt den Luftkanal öffnen. Ob das dereinst beim Menschen ebenfalls funktionieren wird, ist noch offen. Im Nächsten Schritt wollen die Bonner Forscher einen optischen Stimulator des Kehlkopfs an lebenden Schweinen erproben. Originalpublikation: Optogenetic control of contractile function in skeletal muscle Tobias Brügmann et al.; Nature Communications, doi: 10.1038/ncomms8153; 2015