Wissenschaftler des DKFZ haben den Zusammenhang zwischen einem Erreger, der in Milchprodukten und Rindfleisch gefunden wurde und dem Risiko, an Darmkrebs zu erkranken untersucht. Die Ergebnisse gibt es hier.
Vor wenigen Jahren entdeckten Wissenschaftler um Ethel-Michele de Villiers eine neuartige Form infektiöser Erreger in Milchprodukten und Rinderseren. Dabei handelt es sich um ringförmige DNA-Elemente, die große Ähnlichkeit mit Sequenzen bestimmter bakterieller Plasmide aufweisen.
Nach ihrem Fundort wurden sie als Bovine Meat and Milk Factors (BMMFs) bezeichnet. Die BMMFs können sich in menschlichen Zellen vermehren und bilden dort ein Proteinprodukt, Rep, das sie für ihre Vermehrung benötigen.
Ein Team um den Wissenschaftler Timo Bund hat nun Gewebeproben von Darmtumoren und vom gesunden Darm sorgfältig untersucht, um herauszufinden, wie BMMFs zur Entstehung von Darmkrebs beitragen könnten.
Zum Nachweis der Erreger nutzten die Forscher Antikörper, die sie gegen das Rep-Protein generiert hatten. Damit konnten sie BMMFs in 15 von 16 Darmkrebs-Gewebeproben nachweisen.
Bei der Färbung von Gewebeschnitten mithilfe dieser Antikörper stellte sich zur Überraschung der Wissenschaftler heraus: Nicht die Krebszellen selbst enthielten das Rep-Protein, sondern die Zellen in der nächsten Umgebung der Tumoren. Insbesondere in der Lamina propria, der unter der Darmschleimhaut gelegenen Bindegewebsschicht, und dort vor allem in der Umgebung der Darmkrypten, wies der Antikörper das Rep-Protein nach.
Aus diesen Rep-positiven Zellen konnten die Forscher auch BMMF-DNA isolieren, die eng verwandt war mit den bereits aus Milchproben isolierten Erregern.
Das Forscherteam hegte den Verdacht, dass die Anwesenheit der BMMFs chronisch-entzündliche Prozesse im Darmgewebe auslösen könnte. Ein Indiz dafür sei die Anwesenheit entzündungsfördernder Makrophagen, die sich tatsächlich in direkter Umgebung der Tumoren fanden.
Interessanterweise waren die Signale für das Rep-Protein und für den Makrophagen-Marker CD68 nahezu deckungsgleich: Rep liegt also unmittelbar um oder in den Makrophagen vor.
Um herauszufinden, ob die die Anwesenheit von BMMFs und die damit verbundene chronische Entzündung mit Darmkrebs in Verbindung stehen könnten, suchten die Wissenschaftler nach kombinierten Rep-/CD68-Signalen in Darmkrebsproben und verglichen sie mit Darm-Gewebeproben einer Gruppe jüngerer krebsfreier Kontrollpersonen.
Bei den Krebspatienten wiesen 7,3 Prozent aller Darmzellen in der Tumorumgebung das kombinierte Rep/CD68 Signal auf. Bei den Darmzellen der Kontrollgruppe waren es mit nur 1,7 Prozent signifikant weniger.
Ein weiterer Hinweis auf entzündliche Prozesse waren die erhöhten Spiegel an reaktiven Sauerstoffverbindungen, die Bund und Kollegen in der Umgebung der Rep-positiven Zellen nachweisen konnten. „Solche Sauerstoffradikale begünstigen die Entstehung von Erbgutveränderungen“, erklärt Harald zur Hausen, Grundlagenforscher zum Thema BMMF.
Die Entzündungen waren insbesondere in der direkten Umgebung der Darmkrypten lokalisiert, wo auch die Stammzellen des Darms sitzen. Darm-Stammzellen produzieren laufend große Mengen an Vorläuferzellen, die sich schnell teilen und dabei diesem mutationsfördernden Einfluss ausgesetzt sind. Die Mutationen erhöhen das Risiko, dass auch Gene getroffen werden, deren Defekt das Zellwachstum außer Kontrolle geraten lässt und somit als Krebstreiber fungieren.
„Wir betrachten die BMMFs daher als indirekte Krebserreger, die teilweise wahrscheinlich über Jahrzehnte hinweg auf die sich teilenden Zellen der Darmschleimhaut einwirken“, so zur Hausen. Er geht davon aus, dass die Infektion mit den BMMFs meist früh im Leben erfolgt, etwa zum Zeitpunkt des Abstillens.
„Die Ergebnisse unterstützen unsere Hypothese, dass der Konsum von Milch und Rindfleisch ursächlich mit der Entstehung von Darmkrebs in Zusammenhang steht, und eröffnen gleichzeitig Möglichkeiten zum präventiven Eingreifen“, erklärt zur Hausen. So könnte beispielsweise ein frühzeitiger Nachweis der BMMFs besonders gefährdete Personen identifizieren, die dann rechtzeitig die Darmkrebsvorsorge in Anspruch nehmen sollten.
Dieser Text beruht auf einer Pressemitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums. Die Originalpublikation findet ihr hier.
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