Schweizer Forschende haben Zellhaufen aus Prostata-Tumoren gezüchtet. Mithilfe dieser Organoide lässt sich die Wirksamkeit verschiedener Medikamente testen. So kann vor Therapiebeginn ermittelt werden, welche Behandlung wirksam sein könnte.
Allein in der EU sind im vergangenen Jahr 78.800 Männer an Prostatakrebs gestorben. Während im Frühstadium entdeckte Tumoren durch Operation und Strahlentherapie oft vollständig entfernt werden können, verringern sich die Aussichten auf eine erfolgreiche Behandlung, wenn der Krebs weiter metastasiert hat. Derzeit können Ärztinnen und Ärzte das Ansprechen auf Medikamente oder die Therapieresistenz bei Patienten nicht vorhersagen.
Nun hat das Team um Marianna Kruithof-de Julio vom Urologie-Forschungslabor der Universität Bern einen neuen Ansatz entwickelt, mit dem sich der Therapieerfolg vorhersagen lässt.
Die Wissenschaftler mussten anderthalb Jahre an der Methode tüfteln, um aus den Biopsien von Prostata-Tumoren Krebszellen herauslösen und dann im Labor zu dreidimensionalen Zellhaufen, sogenannten Organoiden, zusammenwachsen lassen zu können. Vorher nutzte man Zellkulturen, wo die Zellen nur zweidimensional auf der Innenfläche von sterilen Kulturschalen wuchsen.
Mit aufwendigen Analysen haben die Forschenden um Kruithof-de Julio nachgewiesen, dass Organoide einen großen Teil der spezifischen Merkmale des Prostata-Karzinoms, aus dem sie ursprünglich stammen, beibehalten: Sie charakterisieren sich nicht nur durch dieselben genetischen Mutationen, sondern weisen auch ähnliche Genaktivitätsmuster auf, die etwa aufzeigen, welche Gene stillgelegt werden.
Kruithof-de Julio und ihre Mitarbeitenden haben zuerst in Organoiden von etablierten experimentellen Tumormodellen 74 verschiedene Medikamente getestet – und 13 Substanzen ausgewählt, die das Wachstum der Prostatakrebszellen am stärksten abgebremst hatten.
Mit diesen Substanzen hat das Team dann die Organoide von fünf Prostatakrebspatienten behandelt. Als besonders wirksam erwies sich ein Medikament namens Ponatinib, das bisher nur für die Behandlung von Leukämien zugelassen.
Für Kruithof-de Julio liegt die Bedeutung ihrer Resultate jedoch nicht nur in der Identifikation vielversprechender Wirkstoffe, sondern auch darin, dass sie einen Ansatz aufzeigen, wie die Ärzteschaft auf die individuellen Eigenschaften eines Tumors bei einem bestimmten Patienten eingehen kann.
„Unsere Resultate ebnen der Präzisionsmedizin den Weg. Wir haben in unserer Studie zwar nur retrospektiv Daten zu fünf Patienten ausgewertet“, sagt Kruithof-de Julio. „Aber wir haben klar gezeigt, dass die Methode grundsätzlich funktioniert: Für das Züchten der Organoide und die Medikamententests genügen zwei Wochen. Ein Zeitrahmen, der mit der klinischen Entscheidungsfindung vereinbar ist.“
„In meiner klinischen Tätigkeit bin ich regelmäßig mit Tumoren konfrontiert, die nicht auf die verabreichte Therapie ansprechen oder für die wir nicht wissen, welche Therapie zu verabreichen ist. Dies ist ein weiterer Schritt in Richtung Präzisionsmedizin, wo wir einmal fähig sein werden die Therapie auf den jeweiligen Tumor zuzuschneiden und seine Biologie besser zu verstehen“, erklärt Thalmann. Die Forschenden erhoffen sich damit eine effizientere Behandlung mit weniger Nebenwirkungen und geringeren Kosten.
Dieser Text beruht auf einer Pressemitteilung der Universität Bern. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Greg Jeanneau, unsplash