Derzeit beobachte ich ein Phänomen: Ein einziger Mann schafft es, dass Apotheken und Arztpraxen in Deutschland so gut zusammenhalten wie nie zuvor.
Man kann über Jens Spahn sagen, was man will – aber er schafft es zur Zeit, dass sich die Menschen, die im Gesundheitssystem arbeiten, über alle Berufsgrenzen hinweg solidarisieren wie nie zuvor.
Aufgefallen ist mir das am vergangenen Montag. Zunächst hatte ich versucht, für meine Eltern einen Impftermin zu ergattern. Und ich hatte tatsächlich einen echten Menschen am Apparat, nachdem ich die 116 117 gewählt hatte. Ich war so erschrocken, dass ich fast aufgelegt hätte.
Meine Eltern sind beide über 70 Jahre alt, und damit in der Impf-Prio-Gruppe, die letzte Woche Montag aufgemacht wurde. Als ich ihnen einen Termin verschaffen wollte, bedauerte der nette Herr am Telefon, dass er mir nicht weiterhelfen kann. Die Bundesregierung habe zwar verkündet, dass die Altersgruppe meiner Eltern sich nun registrieren kann, aber das System könne es noch nicht umsetzen.
Er hat sich dafür sehr entschuldigt, und offenbar Beschimpfungen erwartet. Ich habe nur gesagt, dass ich jetzt nicht mit ihm tauschen möchte und gut verstehe, was er sich jetzt anhören muss, weil ich in einer Apotheke arbeite und die Leute uns wegen der versprochenen kostenlosen Corona-Tests für jedermann ebenfalls die Bude einrennen. Auch hier wussten wir am vergangenen Montag noch nicht, wie wir sie umsetzen sollten.
Der Callcenter-Mitarbeiter drehte auf einmal auf. „Ach, Sie arbeiten in einer Apotheke? Das ist ja toll, dass ich Sie gerade am Telefon habe! Wie läuft denn das nun mit den Tests? Ich werde hier ständig deshalb angerufen!“
Also verbrachten wir die nächste Viertelstunde damit, darüber zu sprechen, wie die Testungen ablaufen könnten und wie blöd es ist, alle Neuerungen gleichzeitig mit den Kunden über die Presse zu erfahren, ohne dass deren Umsetzung zum Verkündungszeitpunkt geklärt ist. Am Ende des Gesprächs fühlten wir uns, glaube ich, beide ein wenig getröstet.
Kaum war ich in der Apotheke, liefen die Telefone ob der Testungen heiß. Unter anderem riefen auch Ärzte an, mit denen ich in den vergangenen 10 Jahren noch nie telefoniert hatte. Auch sie wollten von uns erfahren, wie wir gedenken, die Testungen durchzuführen und wie wir dokumentieren und abrechnen sollen. Auch sie waren stinksauer und wussten nicht, wie sie ihren Patienten erklären sollten, dass die Politiker in diesen Tagen mehr versprechen als umgesetzt werden kann. Auch hier bestand ein Konsens darüber, dass wir so etwas noch nie erlebt haben.
Vielleicht schafft die Pandemie-Politik an Ärzten und Apothekern vorbei, was die Standesvertreter in vielen Gesprächen nie geschafft haben – in beiden Berufsgruppen entsteht gerade so etwas wie Solidarität. Denn wir merken immer deutlicher, dass wir tatsächlich im selben Boot sitzen. Wir sollten daher auch gemeinsam in die gleiche Richtung rudern, damit wir vorankommen.
Bildquelle: Jorge Gonzalez, unsplash