Als Krebspatientin habe ich viele Ärzte kennengelernt. Manche behandelten mich wie eine Nummer. Andere könnten Vorbilder für alle Ärzte sein. Sie haben ganz bestimmte Dinge richtig gemacht.
Im März 2014 bekam ich im Alter von 31 Jahren die Diagnose Brustkrebs. Chemotherapie, Mastektomie rechts sowie die Entnahme von 10 Lymphknoten (3 davon waren befallen), eine Bestrahlung und eine Antihormontherapie mit Tamoxifen folgten.
6 Jahre lang gehe ich somit in Krankenhäusern ein und aus und habe einige Ärzte kennenlernen dürfen. Hier lest ihr, was ich dabei erlebt habe und welche Mediziner mich besonders beeindruckt haben – positiv wie negativ.
Leider hatte ich nicht immer Glück mit meinen Ärzten. Es ging schon vor dem Befund los: Denn bevor dieser überhaupt feststand, vergingen Wochen. Nach Überweisung der Gynäkologin wartete ich zwei Wochen auf meine Stanzbiopsie in der Brustklinik. Die damalige Ärztin teilte mir das Ergebnis an einem Freitagnachmittag am Telefon mit. Die Woche darauf fuhr ich ins Krankenhaus, um die Lage zu besprechen. Von einer Antihormontherapie war damals nicht die Rede. Die Ärztin vergaß, mir davon zu berichten. Im Krankenhaus vergaß das Team, mich zur Mammographie zu schicken. Beim Frühstück erzählte mir die Assistenzärztin, dass mein Wächterlymphknoten befallen sei. Sie wünschte mir nach dem Frühstück eine gute Heimreise. Ich brach in Tränen aus.
In nicht einmal drei Wochen passierten so viele Dinge und so viele Fehler. Verunsichert holte ich in einer Uniklinik eine Zweitmeinung ein und bekam einen Termin Anfang April 2014. Den wollte ich wahrnehmen, brauchte dafür aber meine Unterlagen. Also fragte ich im ersten Krankenhaus nach, ob ich diese schon abholen könne. Statt mich zu unterstützen, war die Ärztin erbost und nicht glücklich darüber, dass ich eine Zweitmeinung angefragt hatte.
Das habe ich allerdings nicht bereut: Denn schon beim Betreten der Uniklinik wusste ich, dass dieses Krankenhaus die bessere Entscheidung wäre. Das Gespräch brachte endgültig Gewissheit – die Ärzte hier gingen viel besser mit der Krankheit um. Es gab eine gewisse Routine, von Hektik war nichts zu merken, alles war gut durchdacht.
Der Arzt klärte mich sofort darüber auf, was die bevorstehenden Therapien mit sich bringen würden. Diese genauen Infos fehlten mir bisher. Ich bekam Antworten und fühlte mich gut vorbereitet, ohne Angst. Diese Offenheit und Transparenz gaben mir Vertrauen und Zuversicht.
Als die Chemotherapie durchgestanden war, vereinbarte ich dann auch einen Termin für die Operation im Uniklinikum. Im ersten Krankenhaus wollte ich nicht mehr behandelt werden.
Im Uniklinikum angekommen untersuchte mich die Ärztin, bevor sie die Operation organisierte. Dann die Überraschung: Ein zweiter Tumor schlummerte in meiner rechten Brust, dieser sei von Anfang an da gewesen. Mein Onkologe aus der Praxis, mit dem ich den Befund besprach, war völlig entsetzt: 1. darüber, dass ich überhaupt schon einen Termin im Uniklinikum hatte, 2. dass ich dort auch operiert werden möchte, 3. weil ich das einfach so selbst entschieden hatte und 4. weil dieser Tumor vorher nicht da gewesen sei – laut ihm. Auch ihm schenkte ich darauf kein Vertrauen mehr. Er nahm mich nicht ernst, stellte mich sogar so hin, als wollte ich einfach nur Recht behalten. Dabei ging es um mein Leben.
Als Patient hätte ich mir in all diesen Fällen mehr Offenheit gewünscht. Bei Ratlosigkeit der Ärzte oder Unstimmigkeiten hätte ich mir gewünscht, dass sich die Mediziner zusammengetan und besprochen hätten. So allerdings haben sie mein komplettes Vertrauen und mich als Patient verloren. Es ging nicht um mich, sondern um das Ego der Ärzte – was mich fast mein Leben gekostet hätte.
Mein Rezidiv tauchte im Juli 2018 auf. Da ich wieder zurück nach Hamburg gezogen war, hatte ich mir vor Ort eine Praxis für die Nachsorge gesucht. Alle weiteren größeren Termine fanden jedoch immer noch im Uniklinikum in Leipzig statt. Hier fühlte ich mich wohl. Meine Ärztin nahm sich immer Zeit und wusste was sie tat. Das strahlte sie auch aus. Sie war ein Fuchs auf ihrem Gebiet. „Ausziehen, Arme hoch, hinlegen“ – schwuppdiwupp erkannte sie die Dinge auf Anhieb.
In Hamburg dagegen nahm mich die Ärztin in der neuen Praxis nicht für voll, als ich zu ihr kam und von der kleinen Kugel an meinem Hals erzählte. „Wird schon nix sein, aber ok, wir machen ein PET-CT. Dann wissen wir, was der Knubbel an der linken Halshälfte ist …“
Rein ins PET-CT, warten, rein zum Radiologen. „Ja, es sind Metastasen, am Hals, an der Wirbelsäule, in der Hüfte,“ sagte der Radiologie. Ich fragte: „Wie soll ich das nur meiner Familie sagen? Meine Oma liegt im Sterben, auch Krebs, und mein Opa leidet seit Januar an Prostatakrebs.“ Der Radiologe antwortete ganz trocken: „Sie müssen ja nicht immer alles erzählen. Schönes Wochenende!“ Da stand ich auf der Straße in Hamburg, ganz allein, die Sonne schien mir ins Gesicht, die Tränen liefen. Wie ging es nun weiter? Ich wusste nicht, was ich machen sollte.
Ich rief meine onkologische Praxis in Hamburg an. Echte Hilfe bekam ich hier, wie nach den ersten Erfahrungen dort schon zu erwarten, nicht: „Ja, das ist doch nicht schlimm. Wir machen mit Tamoxifen weiter und sie bekommen noch Bisphosphonat gespritzt, das war's.“ Ich fragte mich, woher die Ärztin das schon sagen konnte, wenn sie doch gar nicht wusste, von welchem Krebs wir hier sprachen? Sie kannte das Gewebe nicht, die Zellen nicht, sie wusste nicht, ob sich der Krebs über die Jahre verändert hatte.
Ich sendete meiner Ärztin im Uniklinikum eine E-Mail. Sie rief sofort zurück und bat mich, in den nächsten Tag nach Leipzig zu kommen. Als ich dies meiner Ärztin in der Hamburger Praxis erzählte, antwortete sie: „Naja, müssen Sie ja wissen, aber viele Köche verderben bekanntlich den Brei“ und legte einfach auf. Mal wieder ein Griff ins Klo.
In Leipzig wurde dagegen alles sofort in die Wege geleitet, die Ärztin sprach offen mit mir. Ich fragte sie, ob ich die neueste Therapie für metastasierten Brustkrebs auch in Hamburg machen könnte. Ich schlug das UKE vor. Sie war einverstanden, da sie verstand, dass ich nicht jede Woche von Hamburg nach Leipzig tingeln konnte. Sie rief sofort den Arzt im Brustzentrum persönlich an und besprach mit ihm meinen Fall. Als ich ins UKE kam, wurde ich von dem Arzt herzlich empfangen: „Wir haben schon auf Sie gewartet.“
Beide Ärzte sind für mich Vorbilder für andere Ärzte. Sie arbeiten zusammen, beide haben eine besondere Art, mit Patienten umzugehen. Der eine ist einfühlsamer, der andere schießt gleich los. Jedoch arbeiten beide transparent und offen, sie arbeiten mit anderen Ärzten zusammen, sie scheuen keine Mühe, sich nochmal auszutauschen.
Ärzte können auch Fehler machen, dennoch sollten Sie den Patienten immer abholen und mit ihm den Zustand gemeinsam besprechen. Jeder Fall ist anders und jeder Patient ist anders. Eine individuelle Lösung sollte immer gemeinsam besprochen werden und nicht über den Kopf des Patienten hinweg. Es ist nicht schlimm, zu sagen: „Ich hätte diese Lösung, würde das Ganze aber nochmal mit einem anderen Arzt abklären.“ Das bedeutet nicht, dass wir Patienten an der Kompetenz des Arztes zweifeln. Im Gegenteil: Wir schenken dem Arzt Vertrauen, da er uns an der Erstellung unserer Therapie teilhaben lässt und wir das Gefühl haben, nicht einfach nur eine Nummer zu sein.
Die Therapien ändern sich mittlerweile so schnell, dass es keine Schande ist, sich eine Zweitmeinung – auch als Arzt – einzuholen. Ich wünsche mir von Ärzten, dass ich als Patient mit einbezogen werde in die Erstellung meiner Therapie. Und das auch meine Wünsche berücksichtigt, anstatt einfach nur schlecht gemacht werden. Sollte der Arzt mich nicht mit einbeziehen und mich plump behandeln, bedeutet das für mich, dass ich und meine Wünsche nicht respektiert werden. Und so verliere ich wesentlich schneller das Vertrauen in meinen Arzt, als wenn er einfach nochmal beim Kollegen nachfragt.
Dies ist ein Beitrag von Su Sommerfeld, Bloggerin und Brustkrebspatienten. Ihren Blog findet ihr hier: Diagnose Leben – Stand up paddeln mit metastasiertem Brustkrebs.
Bildquelle: Mark Daynes, unsplash