Wie unser Körper auf Alkohol reagiert, hängt von unseren Genen ab. In einigen Bevölkerungsteilen dieser Welt hat sich bereits eine Gen-Variante durchgesetzt, die den Alkoholkonsum mit einem zunehmend schlimmen Kater straft. Wird sich unser Genom in ähnlicher Weise verändern?
Beim 1000-Genom-Projekt nahmen Forscher weltweit das Erbgut von mehr als 1.000 Menschen unter die Lupe. Ihr Ziel war, einen umfangreichen Katalog genetischer Funktionalitäten zu erschaffen. Das Projekt endete 2012 mit der Veröffentlichung erster Genomdaten. Weitere Studien folgten. Bis heute finden Wissenschaftler immer neue Erkenntnisse in ihrem Datenschatz. Ein Forscherteam ging jetzt der Frage nach, welche biochemischen Mechanismen sich durch anhaltende Evolutionsvorgänge verändern. Elizabeth Johnson und Benjamin Voight von der University of Pennsylvania analysierten Daten von 2.500 Menschen, deren DNA im 1000-Genom-Projekt verwendet wurde. Dabei wählten die Forscher unterschiedliche Ethnien aus, um evolutionäre Prozesse aufzuzeigen. Sie identifizierten stark veränderliche genetische „Hot Spots“, also Genomabschnitte, die sich in der jüngeren Menschheitsgeschichte stark verändert haben.
Johnson und Voight untersuchten jene veränderlichen Regionen, die in die Verarbeitung von Alkohol involviert sind und für Alkoholdehydrogenase (ADH) codieren. Dieses Enzym katalysiert den ersten Schritt des Abbaus, bei dem aus Ethanol Acetaldehyd und später aktivierte Essigsäure wird. Ab einer bestimmten Menge konsumierten Alkohols verursacht das toxische Acetaldehyd schwere Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Kopfschmerzen. Die Forscher vermuten auf Basis ihrer Daten, dass im Zuge der menschlichen Evolution entstandene ADH-Varianten aus Ostasien sowie West- und Ostafrika unser Trinkverhalten beeinflussen könnten. Denn verglichen mit dem bei Europäern oder Nordamerikanern vertretenen Genotyp geschieht der Ethanolabbau bei Genvarianten von Personen aus Asien und Afrika deutlich schneller. Das führt in kürzerer Zeit zu höheren Acetaldehydspiegeln und zu mehr Nebenwirkungen: Acetaldehyd reichert sich an und Trinken wird noch mehr zum Genuss mit Reue. Folgende Vermutung liegt also nahe: Wenn die durch Alkoholkonsum verursachten Beschwerden immer stärker werden, wird das Verlangen nach Alkohol immer geringer.
Über die Gründe können Johnson und Voight nur spekulieren. Man könnte annehmen, dass Personen mit der Genvariante, die Ethanol schneller abbaut, seltener zu Alkohol greifen, weil sie länger an den Nebenwirkungen leiden. Personen mit dieser Genvariante im Voranschreiten der Evolution bessere Chancen, sich fortzupflanzen. Noch heute würden den Autoren zufolge gerade Jugendliche mit häufigem Alkoholkonsum eher tödlich verunfallen. Warum sich die Genvariante nicht auch bei Europäern durchgesetzt hat, bleibt fraglich. Generell haben alle genomweiten Assoziationen eine Schwäche. Sie zeigen – wie der Name schon verrät – Assoziationen zwischen einem Phänotyp, also beispielsweise einer Stoffwechselfunktion, und einer Besonderheit im Erbgut. Kausale Zusammenhänge können sie aber nicht beweisen.