Impfstaus stehen kurz bevor – da ist man sich beim Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung sicher. Niedergelassene Ärzte seien deshalb ab dem zweiten Quartal als Impfhelfer eingeplant.
Die Impfungen gehen nur schleppend voran – der Impfstoff ist rar und doch bleiben in vielen Impfzentren vor allem Impfdosen des AstraZeneca-Vakzins übrig. Mithilfe einer Modellierung wird jetzt absehbar: Bald sollen Hausärzte bei den COVID-Impfungen miteinbezogen werden, da nur so eine großflächige, zügige Impfung aller Bürger realistisch ist.
Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hat seine Modellierung zur Nationalen Impfstrategie weiterentwickelt: Über ein Onlinetool können nun Impfszenarien für die Bundesebene und auch pro Bundesland berechnet werden. Ausgehend von feststehenden Lieferzusagen können mithilfe des Modells die Kapazitäten und Impfstrategien (z.B. mit und ohne Zurückhalten der Zweitdosis) eingestellt werden.
Die Berechnungen zeigen deutlich, dass aufgrund der erwarteten Liefermengen schon in Kürze die Praxen der Niedergelassenen in die Impfungen gegen das COVID-19-Virus mit einbezogen werden müssen, um einen Impfstau zu vermeiden. „Die Erkenntnis hat sich weitgehend durchgesetzt, dass eine schnelle und weitreichende – und damit auch die Bevölkerung in großem Umfang erreichende – Impfung nur mit den niedergelassenen Haus- und Facharztpraxen gelingen kann“, erklärte KBV-Vorstandsvorsitzender Gassen in der Pressekonferenz.
Aktuell liegt die Auslastung der Impfzentren im Schnitt bei 40 Prozent. Aus manchen Ländern kam der Vorschlag, der im zweiten Quartal deutlich höhere Zahl der verfügbaren Impfdosen durch eine Kapazitätssteigerung der Impfzentren zu begegnen. In der Modellierung wird jedoch klar, dass diese Maßnahme nicht reichen wird, um die große Menge ankommender Impfstoffe zeitnah zu verimpfen. Und wie wir im letzten Jahr sehen konnten: Zeit ist ein wichtiger Faktor im Kampf gegen die Pandemie.
Ab Mitte des zweiten Quartals wird die Zahl der zur Verfügung stehenden Impfstoffe im zweistelligen Millionenbereich liegen. Biontech und Pfizer haben 40,2 Millionen Dosen zugesagt. Zugleich rechnet das BMG mit großen Lieferungen von Moderna und Astra-Zeneca, die 6,4 bzw. 16,9 Millionen Einheiten bereitstellen wollen. Im Falle einer rechtzeitigen Zulassung stünden möglicherweise auch noch Johnson & Johnson sowie Curevac mit größeren Liefermengen (10,1 bzw. 3,5 Millionen Dosen) bereit. Der Vorstandsvorsitzende der KBV ist zuversichtlich, dass diese großen Lieferungen mithilfe der Praxen zügig abgearbeitet werden können: „Dass die Praxen in diesem Land das können, beweisen sie jedes Jahr bei den Grippewellen“, so Gassen.
Wichtig sei nun, dass den Niedergelassenen dann auch rechtzeitig genügend Impfstoff zur Verfügung stünde. Dazu, wie die Impfstoffe in die Praxen gelangen sollen, gebe es bereits gemeinsam erarbeitete praktikable Vorschläge von KBV, Apothekerverbänden und Pharmagroßhandel. Auch die Impfdokumentation sei mit der Praxissoftware ohne Probleme möglich. „Wir haben die nötigen Vorarbeiten zu allen Voraussetzungen für das Impfen in den Praxen geleistet. Jetzt setzen wir auf eine schnelle Anpassung der Impfverordnung“, erklärt der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Stephan Hofmeister.
Mit dem Start der Impfung in den Praxen soll sowohl der Impfstoff von AstraZeneca als auch der von Biontech verfügbar sein. Das Problem der aufwändigen Kühlung ließe sich dann so lösen: „Ab dem Zeitpunkt des Auftauens aus der Ultratiefkühlung ist dieser für 120 Stunden bei Kühlschranktemperatur lagerfähig. Das ist im Grundsatz eine ganze Arbeitswoche, die es den Praxen ermöglichen würde, den Biontech Impfstoff dann innerhalb dieser auch zu verimpfen.“
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die momentan vielerorts das Impfen erschwerende Priorisierung der Impflinge, die teilweise auch zum Rückstau von Impfdosen führte. Dazu erklärt Gassen: „Die Priorisierung, wie wir sie gerade haben, wird mit einer verfügbaren angemessenen Impfstoffmenge im Grundsatz nicht mehr notwendig sein.“ Die Praxen seien es von der Grippeimpfung gewohnt, bei ihren Patienten in einem gewissen Maße zu priorisieren und so mit den vorhandenen Impfdosen sinnvoll zu haushalten. Das gleiche Prozedere könne dann auch mit der COVID-Impfung angewendet werden. Wichtig sei nur, dass sich die Praxen darauf verlassen könnten, dass in der jeweils kommenden Woche wieder eine neue Lieferung einträfe.
Bei der Frage, ab wann auch Arztpraxen gegen COVID-19 impfen sollen, waren sich die bei der Pressekonferenz versammelten Fachleute einig. „Definitiv im zweiten Quartal.“ Sobald die Bestellwege finalisiert und eine kontinuierliche Versorgung mit Impfstoffen gesichert seien, könne es los gehen. Wir bleiben gespannt.
Das Online-Tool zur Berechnung von verschiedenen Impfszenarien haben wir euch im Text und hier verlinkt.
Bildquelle: Jonathan Chng, unsplash