Long Covid ist nach wie vor ein diagnostisches Chamäleon. Wer bekommt es? Und wie lange hält es an? Die Datenlage ist unklar. Die neueste These: Ein Shot eines Corona-Impfstoffs könnte die Lösung sein.
Wie viele COVID-19-Patienten von langanhaltenden Symptomen – dem Long Covid – betroffen sind, ist völlig unklar. Das liegt vor allem daran, dass es noch gar keine klare Definition dieses Krankheitsbildes gibt. Und doch könnte es schon eine Lösung des Problems geben: Die Corona-Impfung.
Laut dem National Institute for Health and Care Excellence (NICE) beinhaltet der Begriff Long Covid „sowohl fortlaufende symptomatische COVID-19-Erkrankungen (von 4 bis 12 Wochen) als auch das Post-COVID-19-Syndrom (12 Wochen oder mehr).“ Das häufigste Symptom dabei ist die Erschöpfung. Doch auch Symptome wie Kopfschmerzen, Dyspnoe, Anosmie und „brain fog“ können auftreten.
Noch ist die Studienlage zu Long Covid dürftig. Die WHO schätzt, dass rund ein Viertel der COVID-19-Erkrankten noch 4 Wochen lang Symptome zeigen, einer von 10 ist auch nach 12 Wochen noch nicht wieder fit. Das Problem ist, dass in Studien oft jene Patienten bezüglich Long Covid untersucht werden, die wegen COVID-19 hospitalisiert werden mussten. Doch die machen nur einen kleinen Teil der Erkrankten aus. Die meisten Erkrankten müssen nicht in einer Klinik behandelt werden. Wie weit verbreitet Long Covid unter diesen Personen ist, ist deshalb schwer zu erfassen. Es ist nicht einmal klar, ob es sich um das gleiche Krankheitsbild handelt.
Erste stichhaltigere Ergebnisse bringt dahingehend eine prospektive Beobachtungsstudie, die jetzt in Nature erschienen ist. Darin analysierten die Autoren Daten der COVID Symptom Study App, einer Smartphone-App aus Großbritannien, in die Probanden ihre Symptome eintragen können. Insgesamt flossen die Daten von 4.182 Menschen ein, die einen positiven SARS-CoV-2-Test erhalten haben. Die meisten Probanden stammten aus Großbritannien, es gab aber auch Teilnehmer aus den USA und Schweden. Die mediane Dauer der Symptome bei positiv getesteten Probanden lag bei 11 Tagen.
Von den insgesamt knapp 4.000 Personen fielen 38 % in die Kategorie „Short Covid“. Bei ihnen dauerten die Symptome im Median 6 Tage an. 13,3 % der Probanden gaben an, dass ihre Symptome länger als 28 Tage andauerten. Bei dieser Gruppe lag die mediane Dauer der Symptome bei 41 Tagen. Bei 4,5 % hielten sie mehr als 8 Wochen an und bei 2,3 % für mehr als 12 Wochen.
Long Covid war dabei durch Symptome wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, Dyspnoe und Anosmie gekennzeichnet und trat mit zunehmendem Alter und Body-Mass-Index sowie bei Frauen häufiger auf. Außerdem stellte sich heraus, dass Personen, die während der ersten Krankheitswoche mehr als fünf Symptome zeigten, eher dazu neigten, Long Covid zu entwickeln.
Zwar ist die Studie nicht perfekt, da sich die Daten auf selbstberichtete Symptome in einer Smartphone-App stützen. Dennoch sind es bislang wohl die besten Daten, die zu Long Covid bei nicht hospitalisierten Patienten vorliegen. Und basierend auf den Daten scheint es so, als sei das Phänomen seltener als befürchtet. Dennoch sind damit hochgerechnet allein in Deutschland tausende Menschen gefährdet, längerfristig mit den Folgen einer Corona-Infektion zu kämpfen haben.
Eine einfache Lösung des Problems könnten Corona-Impfungen sein. Das lassen zumindest einige Berichte in Social Media und erste kleine Untersuchungen vermuten.
Auf Twitter berichten Betroffene mit Long-Covid-Symptomen, dass sie einige Tage nach einer Impfung keine Symptome mehr zeigen. Noch lässt sich das Phänomen wegen fehlender Daten nicht überprüfen, viele Studien dazu sind erst in Planung.
In einer kleinen Untersuchung kommen Forscher zu dem Ergebnis, dass sich die Symptome bei Long-Covid-Patienten nach einer Impfung in der Tat verbesserten – allerdings war der Effekt längst nicht bei allen Teilnehmern nachweisbar (23,2 % vs 15,4 % in der ungeimpften Kontrollgruppe) und die Zahl der Probanden zu klein für klare Aussagen.
Theorien, warum die Impfung helfen könnte, gibt es aber schon. Sie hängen mit den möglichen Ursachen von Long Covid zusammen. Eine Hypothese lautet, dass das Virus in einigen Körperzellen persistiert, etwa in Nerven- oder in Darmzellen. Eine Impfung macht das Immunsystem auf diese Viren aufmerksam, die dann effektiv bekämpft werden können.
Eine andere Theorie besagt, dass Long Covid einer Autoimmunerkrankung ähnelt, die durch die Immunreaktion auf das Virus ausgelöst wurde. Dr. Akiko Iwasaki, Immunologin von der Yale Universität erklärt, dass auch diesen Patienten mit einer Impfung geholfen werden könnte: „Der Impfstoff stimuliert die angeborene Immunreaktionen, die diese Art von autoreaktiven Immunantworten dämpfen“, sagte sie. Basierend auf Erfahrungen von Menschen mit anderen Autoimmunerkrankungen, wäre die Linderung allerdings „nicht sehr langlebig und könnte in Form von Symptomen wie Müdigkeit zurückkehren.“
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