Aus einzelnen menschlichen Brustdrüsen-Zellen wurde ein komplexes 3D-Modell erzeugt, das die Entwicklung der Brustdrüse nachbildet. Dieses Kultur-Modell kann nun dabei helfen, die aggressiven Eigenschaften des Brustkrebses besser zu verstehen.
Jährlich erkranken etwa 70.000 Frauen in Deutschland an Brustkrebs. Trotz erheblicher Fortschritte in der Therapie, sind manche besonders aggressive Formen bisher nicht richtig verstanden. Das Team um Dr. Christina Scheel, Leiterin der Nachwuchsgruppe Mammary Stem Cells, ist nun in der Lage die dreidimensionale Struktur der Brustdrüse nachzubauen.
Hierfür nutzen die Forscher ein transparentes Gel, in dem die Zellen wachsen und sich ausbreiten, ähnlich der sich entwickelnden Brustdrüse während der Pubertät. Dabei teilen sich die Zellen und bilden komplexe, sich verzweigende Milchgänge, die in bläschen-artigen Strukturen enden. Für diesen Prozess werden Stammzellen benötigt, deren genaue Identität in der Brust allerdings weiterhin verborgen bleibt. Doch auch Brustkrebszellen können sich stammzellartige Eigenschaften aneignen, was nach Angaben der Wissenschaftler wesentlich zu ihrer Aggressivität beiträgt.
Um aufzuklären, wie aggressive Arten von Brustkrebs entstehen, untersuchten die Forscher zunächst die Funktion normaler Brust-Stammzellen. Sie beobachteten, dass das Verhalten der Zellen mit regenerativer Kapazität auch von den physikalischen Eigenschaften ihrer Umgebung mitbestimmt wird. „Wir konnten beispielsweise zeigen, dass ein weniger elastisches Gel dazu führt, dass sich die Zellen im Gel stärker ausbreiten, also invasiver wachsen“, erklärt Erstautorin Jelena Linnemann. „Ein ähnliches Verhalten wurde auch schon Brustkrebszellen zugeschrieben. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass es sich hierbei um einen normalen Prozess während der Organentwicklung handelt, der bei Brustkrebs unkontrolliert aktiviert wird.“ Co-Autorin Lisa Meixner ergänzt: „Durch unser neues Kultur-Modell können wir besser untersuchen, wie man solche Prozesse in Tumoren therapeutisch hemmen kann.“ Detail einer sich verzweigenden Brustepithelstruktur in Kultur. © Haruko Miura, HMGU
Bei den eingesetzten Zellen handelt es sich in diesem Fall um gesundes Gewebe von Frauen, die sich einer ästhetischen Brustverkleinerung unterziehen. Co-Autorin Haruko Miura erklärt: „Dieses Gewebe wird nach der Operation normalerweise verworfen. Für uns ist es eine experimentelle Schatzkiste, die uns ermöglicht, individuelle Unterschiede im Verhalten der Zellen zu verstehen.“ Experimentelle Modelle, die auf der Gewinnung von Zellen direkt aus menschlichem Gewebe beruhen, bilden einen wichtigen Eckpfeiler der Grundlagen- und angewandten Forschung: „Mit diesem technologischen Durchbruch haben wir den Grundstein für viele neue Forschungsansätze gelegt, die sowohl dem Verständnis aggressiver Eigenschaften von Brustkrebs dienen, als auch helfen, die Rolle von Stammzellen in normalen regenerativen Prozessen aufzuschlüsseln“, so Studienleiterin Dr. Christina Scheel. Originalpublikation: Quantification of regenerative potential in primary human mammary epithelial cells Jelena Linnemann et al.; Developement, doi: 10.1242/dev.123554; 2015