Die Universität Innsbruck stellte heute eine Folgestudie zur Seroprävalenz der Einwohner von Ischgl vor. Die Daten machen Hoffnung auf eine Rückkehr zur Normalität. Aber die Südafrika-Variante funkt dazwischen.
Es gibt Neuigkeiten aus dem ehemaligen Corona-Hotspot Ischgl. Die im Frühjahr durchgeführte Studie zur Seroprävalenz der Einwohner wurde um eine Folgestudie ergänzt. Darin soll die Frage beantwortet werden, wie es inzwischen um die Immunität der Bevölkerung bestellt ist. Die Ergebnisse stellte das Team der Medizinischen Universität Innsbruck heute auf einer Pressekonferenz vor. Prof. Wolfgang Fleischhacker, Rektor der Uni, bezeichnete die Daten in seinem Eingangswort als „ermutigend“ und „Good News aus Ischgl“.
Dr. Wegene Tamire Borena vom Institut für Virologie beschrieb den Studienaufbau. Zentrale Fragen seien, wie lange Antikörper für SARS-CoV-2 nachweisbar bleiben und welche Auswirkungen die damals hohe Seroprävalenz in Ischgl auf das weitere Infektionsgeschehen vor Ort habe. Studienstart war im November 2020, also etwa 6–8 Monate nach den ersten bestätigten Infektionen in Ischgl. „Wie im Frühjahr haben wir wieder alle erwachsenen Bewohner der Stadt eingeladen. Insgesamt sind etwa 900 Personen zur Studie erschienen, also auch hier wieder eine sehr hohe Beteiligung“, so Borena.
801 Teilnehmer hatten bereits bei der ersten Studie mitgemacht. Teilnehmer, die bei der ersten Studie positiv auf Antikörper getestet worden waren, nahmen häufiger auch an der Folgestudie im November teil, als die Probanden, bei denen keine Antikörper nachgewiesen werden konnten. Allen Teilnehmern wurde Blut zur Bestimmung der Seroprävalenz abgenommen, einem Teil der Gruppe dabei größere Mengen, um auch die zelluläre Immunantwort über T-Zellen untersuchen zu können.
Im Labor erfolgte die Antikörperbestimmung über Verfahren wie den ELISpot Assay und die Durchflusszytometrie. Auch auf neutralisierende Antikörper wurden die Blutproben untersucht. Die Ergebnisse:
Eine Form der Immunantwort, sei es über Antikörper oder T-Zellen, sei also in nahezu allen Proben enthalten, so Prof. Dorothee von Laer, Lehrstuhl für Virologie. Aber wie sieht es mit der Schutzwirkung aus? „Wir haben in der zweiten Novemberwelle geschaut, ob Ischgl besser gefahren ist als der Rest von Österreich.“ Die erste „Riesenwelle“, so von Laer, hatte Ischgl im Frühjahr teilweise auf beängstigend hohe Inzidenzwerte getrieben, der Ort galt als „Virenschleuder Europas“ (wir berichteten).
Nach der allgemeinen Entspannung während der Sommermonate sei der Vergleich zur Lage im November besonders interessant. Denn als die Infektionszahlen in vielen Orten Österreichs und Deutschlands wieder stiegen, gab es in Ischgl nur wenige Infektionen, Mitte November schien alles schon wieder ausgestanden. Während die Zahlen bis in den Dezember hinein hoch blieben und vielerorts weiter stiegen, sei in Ischgl keine Infektion mehr nachweisbar gewesen. Kriterium war hier ein positiver PCR-Test, der Vergleich zu anderen Orten in Österreich erfolgte auf Basis internationaler Standards, um eine Vergleichbarkeit der jeweiligen Gebiete zu garantieren.
Von Laer wagt auf Basis dieser Daten die Einschätzung, dass schon eine 40–45 %ige Immunität der Bevölkerung ausreichen könnte, um vor weiteren Infektionen zu schützen und einigermaßen zur Normalität zurückkehren zu können. „Wohlgemerkt unter Vorsichtsmaßnahmen, also mit Social Distancing und dergleichen. Die Menschen haben Abstand gehalten, Masken getragen und Apres-Ski-Bars waren auch geschlossen.“ Ein Lockdown Light sei aber leichter zu ertragen als die verschärften Regelungen, die auch jetzt an vielen Orten noch gelten. „Ischgl ist ein Fall, der Hoffnung macht auf eine frühere Rückkehr zur Normalität“, so von Laer.
Unklar blieb, wie sich schwere Krankheitsverläufe auf die Antikörper-Titer und Persistenzen ausgewirkt haben. „In Ischgl haben wir das nicht untersuchen können, weil wir so wenige schwere Verläufe hatten. Die Ischgler scheinen ein gesundes Völkchen zu sein“, so von Laer. Der Altersdurchschnitt unterscheide sich aber nicht vom Rest Österreichs, es liegt also nicht daran, dass in Ischgl überdurchschnittlich viele junge Menschen leben.
Weitere Studien zu den gesundheitlichen Langzeitauswirkungen von COVID-19 sowie zu den Beschränkungen im Lockdown seien in Arbeit. Auch über eine Kombination verschiedener Corona-Impfungen wurde kurz diskutiert. Das Thema ist schon länger im Gespräch (wir berichteten). „Es bietet sich an, einen Vektorimpfstoff mit einer anderen Art der Impfung zu kombinieren. Hat der Körper einmal auf den Vektor reagiert, fällt die zweite Reaktion in der Regel schwächer aus“, erklärt von Laer. Nach einer Impfung mit dem Vakzin von AstraZeneca den mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer als zweite Dosis zu geben, sei daher sinnvoll – und wird inzwischen auch von Immunologen empfohlen, wie die Tagesschau berichtet.
Die Frage nach den Varianten lässt sich mit den Daten aus Ischgl nicht abschließend beantworten. Der Schutzwall, den die Ischgler gegen SARS-CoV-2 aufgebaut haben bröckle, bestätigt von Laer auf Nachfrage. Allerdings seien Virusvarianten keine Neuigkeit. „Das beobachten wir bei der Grippe jedes Jahr aufs Neue und dort haben wir viel schlechtere Impfstoffe. Unser Ziel muss sein, die Südafrika-Variante soweit zu unterdrücken, bis die Impfungen angepasst sind und der Vorgang so eingespielt wie bei der jährlichen Grippeimpfung ist. Aber ja, es bröckelt.“ Aktuell gibt es laut Tiroler Tageszeitung für Infektionen mit der Südafrika-Variante 343 bestätigte Fälle in Tirol, die Bewertung weiterer 192 Verdachtsfälle steht noch aus.
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