Eine schwerer COVID-19-Verlauf schädigt das Herz, das ist unstrittig. Doch wie viel Schuld daran trägt SARS-CoV-2? Neue Daten sprechen dafür, dass „critical illness“ relevanter ist als der Keim.
Es ist stiller geworden um die Herzbeteiligung bei der SARS-CoV-2-Infektion. Auch leichte Infektionen können Herzmuskelentzündungen hervorrufen, das gilt als sicher. Ob das allerdings häufiger geschieht als bei anderen Atemwegsinfektionen, ist unklar. Seit es prospektive Kohorten mit Kontrollgruppen wie die COMPETE-CMR-Studie gibt, ist zeichnet sich zumindest ab, dass die Myokarditis bei wenig symptomatischen Infizierten eine große Ausnahme ist. Das war im Sommer von einigen Seiten noch ganz anders kommuniziert worden.
Klinisch relevanter im Versorgungsalltag sind die Herzbeteiligungen bei den COVID-19-Patienten mit schwer verlaufender Erkrankung, also den Patienten im Krankenhaus und insbesondere auf Intensivstation. Als sich hier schon früh im Pandemieverlauf gezeigt hatte, dass es regelhaft zu Troponin-Erhöhungen kommt, gab es einige, die COVID-19 flugs zu einer immunologisch vermittelten, kardiovaskulären Erkrankung erklärten. Es gab aber immer auch Stimmen, die vor Überinterpretation der Herzbefunde warnten oder zumindest davor, sie pathophysiologisch zu sehr in den Vordergrund zu rücken. Sehr viele – fast alle – Patienten, die auf Intensivstationen mit dem Tod ringen, haben auch kardiovaskuläre Probleme.
Kardiologen um Thomas Metkus und Rani Hasan von der Johns Hopkins University in Baltimore haben sich die Zusammenhänge zwischen Herzproblemen und COVID-19 jetzt in einer klinischen Forschungsarbeit, über die sie in der Zeitschrift Circulation berichten, genauer angesehen. Zwischen März und Juni 2020 wurden für diese Kohortenstudie alle 328 COVID-19-Patienten ausgewertet, die an einem der fünf JHU-Krankenhäuser intubiert werden mussten. Eingeschlossen in die Studie wurden jene 243 dieser Patienten, bei denen innerhalb von 24 Stunden der myokardiale Verletzungsmarker Troponin I oder Troponin T gemessen wurde.
In dieser Gruppe haben sich die Kardiologen zunächst den Zusammenhang zwischen Herzschäden und klinischem Verlauf angesehen. Hier war das Ergebnis eindeutig und auch wenig überraschend: Ein schwerer Herzschaden war mit einer deutlich schlechteren Prognose assoziiert. Konkret starben 22,7 % der Patienten, bei denen ein initiales Troponin unterhalb der oberen Normgrenze gemessen wurde. Mit steigendem initialem Troponin stieg die Sterblichkeit auf rund 40 % bei fünffach erhöhten Werten. Bei mehr als zehnfach erhöhten Troponin-Werten waren es sogar mehr als 60 %, die die Erkrankung nicht überlebten.
Unadjustiert waren erhöhte Troponin-Werte im Vergleich zu normalen Troponin-Werten mit einem gut doppelt so hohen Sterberisiko assoziiert (HR 2,31, 95 %-KI 1,47-3,65). Das änderte sich allerdings, wenn auf Störgrößen adjustiert wurde. Wurden Alter, Geschlecht, Kreatininwert, Bilirubin, Gasaustauschparameter, Vasopressoren und Laktatspiegel berücksichtigt, war das erhöhte Sterberisiko in der Troponingruppe nicht mehr signifikant.
Im nächsten Schritt verglichen die Kardiologen die 243 intubierten Patienten mit COVID-19 mit 506 Patienten aus der Studie MI-ARDS (Myocardial Injury in Acute Respiratory Distress Syndrome), einer Kohorte von Patienten mit Atemnotsyndrom und Myokardschaden im Rahmen der ARDS-Network-Studien. Diese Studie fand vor der Pandemie statt, die Patienten hatten also definitiv kein COVID-19.
Entsprechend unterscheidet sich das klinische Profil dieser Patienten etwas von dem in der COVID-Kohorte, u. a. waren sie etwas jünger und häufiger weiblich. Darüber hinaus gab es zwischen den Kohorten kaum Unterschiede. Weder hatten Patienten mit COVID-19-ARDS mehr Myokardschäden, noch hatten sie höhere Troponin-Level. Tatsächlich war das COVID-19-ARDS nach Adjustierung für Geschlecht, Alter, Kreatinin, Bilirubin, Gasaustauschparameter und Vasopressoren sogar mit einer geringeren Rate an Myokardschäden assoziiert als ARDS anderer Ursache.
Höher war bei den Patienten mit COVID-19-ARDS die Sterblichkeit mit 36,2 % gegenüber 26,4 %. Das war auch statistisch signifikant. Was das Herz angehe, spreche die Analyse aber stark dafür, dass Herzschäden bei COVID-19 kein erkrankungsspezifisches Phänomen seien, sondern eine Funktion von Komorbiditäten, Alter und Multisystemerkrankung, so die Autoren. Auch die schlechtere Prognose der COVID-19-Patienten mit Myokardschäden müsse in erster Linie als Folge von „critical illness“ gesehen werden.
Trotz dieser Dates gibt es natürlich weiterhin offene Fragen im Zusammenhang mit der COVID-19 und den Effekten aufs Herz. Eine wichtige Unbekannte sei der rechte Ventrikel, schreiben iranische Kardiologen um Mohammad Amin Shahrbaf von der Shahid Beheshti Universität in Teheran in einem Beitrag im European Heart Journal. Prinzipiell seien wichtige pathophysiologische Mechanismen bei COVID-19 – namentlich erhöhte Nachlast nach ARDS, Lungenembolien, negative Inotropie durch Zytokine und RAAS-Dysfunktion – mögliche Mechanismen für eine rechtsventrikuläre Dysfunktion.
Die wenigen echokardiographischen Kohorten mit COVID-19-Patienten, in denen spezifisch der rechte Ventrikel analysiert wurde, zeigten, dass ein relevanter Anteil der (hospitalisierten) COVID-19-Patienten Zeichen für rechtventrikuläre Funktionsstörungen aufweise. Zudem seien kardiovaskuläre Komplikationen bei COVID-19 u. a. mit einem vergrößerten rechten Ventrikel assoziiert. Das beweist natürlich keine Kausalität. Aber es ist nach Auffassung der iranischen Kardiologen zumindest Grund genug, bei der echokardiographischen Evaluation von COVID-19-Patienten auch die rechtsventrikuläre Größe und Funktion, eine mögliche Trikuspidalklappeninsuffizienz sowie Zeichen für einen erhöhten pulmonalarteriellen Druck mit zu erfassen.
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