Eine Kooperation von Forschern konnte einen neuen Biomarker zur Identifikation von Hodentumoren etablieren. Dem Transkriptionsfaktor FOXA2 wird dabei eine Schlüsselrolle zuteil.
Hodentumoren stellen die häufigsten soliden Tumoren des jungen Mannes im Alter von 15 bis 44 Jahren dar. Ein Subtyp, der Dottersacktumor, zeigt sich besonders resistent gegenüber der Standard-Chemotherapie. Die molekularen Mechanismen, die zur Dottersacktumor-Entwicklung und deren Resistenz führen, sind praktisch unverstanden.
Düsseldorfer und Göttinger Forscher haben nun in Kooperation den Pionier- und Differenzierungsfaktor FOXA2 als Schlüsselgen dieser Tumorentwicklung identifiziert. Dies ermöglicht neben einem besseren Verständnis der molekularen Tumorcharakteristika auch die Etablierung neuer Diagnose- und Therapieansätze.
Hodentumoren, auch Keimzelltumoren genannt, repräsentieren in der Altersgruppe zwischen dem 15. und 45. Lebensjahr den häufigsten malignen Tumor des jungen Mannes und die Inzidenz der Keimzelltumoren ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Die Mortalitätsrate konnte mit Einführung der Chemotherapien mit Platinderivaten deutlich gesenkt werden, sodass heute über 90 Prozent der Patienten geheilt werden können. Jedoch spricht eine Gruppe von Keimzelltumorpatienten nicht auf eine medikamentöse Tumortherapie an und ist auch mit chirurgischen Verfahren nicht mehr zu heilen.
Keimzelltumoren werden in Seminome und Nicht-Seminome unterteilt. Beide entstehen aus einer gemeinsamen Vorläuferläsion, der Keimzellneoplasie in situ (GCNIS; aus dem Englischen für „germ cell neoplasia in situ“). Dabei handelt es sich um Krebsvorläuferzellen, die auf das Ursprungsgewebe – hier die Hoden – begrenzt sind. Seminome ähneln in ihrem Aussehen, ihrem Genexpressionsprofil und der Epigenetik sehr stark den GCNIS-Zellen. Die Nicht-Seminome hingegen besitzen ihre eigene Stammzellpopulation, das Embryonale Karzinom. Dieses ist in der Lage – wie embryonale Stammzellen – in Zellen aller Gewebearten zu differenzieren und folglich alle möglichen Gewebe des Embryos zu imitieren.
Eine Besonderheit der Embryonalen Karzinome ist, dass sie auch in extra-embryonale Gewebe differenzieren und sich so unter anderem zu Dottersacktumoren entwickeln können. Klinisch haben Patienten mit Dottersacktumoren eine schlechte Prognose, da diese Tumoren einen hohen Anteil an der Keimzelltumor-verbundenen Sterblichkeit besitzen und häufig eine Resistenz gegenüber der Cisplatin-basierten Standard-Chemotherapie ausbilden.
Wissenschaftler um Prof. Daniel Nettersheim vom Universitätsklinikum Düsseldorf und Dr. Felix Bremmer von der Universitätsmedizin Göttingen verfolgen das Ziel, die bislang nahezu unverstandenen molekularen und epigenetischen Mechanismen zu bestimmen, welche die Differenzierung von Embryonalen Karzinomen in Dottersacktumoren steuern. Dadurch wollen die Forscher nicht nur das grundlegende Verständnis dieser Tumoren erweitern, sondern auch neue Zielmoleküle für zukünftige Therapien und neue Biomarker zur Diagnose der Dottersacktumoren in der pathologischen Routinediagnostik identifizieren.
Die Wissenschaftler konnten jetzt durch die vergleichende Analyse von Dottersacktumor- und Embryonalen Karzinom-Geweben und -Zelllinien im Hinblick auf deren Unterschiede auf DNA-, RNA- und Protein-Ebene zeigen, dass der Pionier- und Transkriptionsfaktor FOXA2 einen Schlüsselfaktor in der Dottersacktumor-Entwicklung darstellt. Dabei interagiert FOXA2 vermutlich mit einem weiteren Transkriptionsfaktor (SOX17), um die Genexpession typischer Dottersacktumor-assoziierter Gene und Signalwege zu regulieren und damit die Differenzierung eines Embryonalen Karzinoms in einen Dottersacktumor zu induzieren.
Darüber hinaus konnte das Forscherteam an über 350 verschiedenen Keimzelltumor-Geweben zeigen, dass sich der immunhistochemische Nachweis des FOXA2-Proteins, also prinzipiell eine Antikörper-basierte Markierung, als vielversprechender Biomarker in der Diagnostik eignen könnte. „Durch den FOXA2-Nachweis ist es uns gelungen, nicht nur eindeutig Dottersacktumoren von den anderen Keimzelltumortypen zu unterscheiden, sondern auch kleine Dottersacktumor-Anteile in gemischten Keimzelltumoren nachzuweisen, die sonst möglicherweise unentdeckt geblieben wären und die Therapie nachteilig beeinflusst hätten“, erläutert Bremmer.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Wilhelm Sander-Stiftung. Die Studie findet ihr hier.
Bildquelle: Melani Sosa, unsplash