Ein Forscherteam hat eine mögliche Ursache für selbstzerstörerische Attacken des Immunsystems gefunden. Das könnte die Therapie von Autoimmunerkrankungen und Lymphdrüsenkrebs beeinflussen.
Autoimmunerkrankungen, bei denen die körpereigenen Abwehrkräfte gesundes Gewebe angreifen, können lebensgefährlich sein und alle Organe befallen. Ein Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM) hat jetzt eine mögliche Ursache dieser selbstzerstörerischen Attacken des Immunsystems gefunden: ein überaktives RANK-Protein an der Oberfläche von B-Zellen. Die Forschung eröffnet möglicherweise neue Möglichkeiten der Therapie.
Das Immunsystem schützt den Organismus normalerweise höchst effizient vor Bakterien, Viren oder Pilzinfektionen. Doch die Abwehrzellen können sich auch gegen körpereigenes Gewebe richten und Autoimmunerkrankungen auslösen. Dazu gehören beispielsweise rheumatoide Arthritis oder Lupus erythematodes, eine Krankheit, die mit chronischen Entzündungen der Haut, der Gelenke, des Nervensystems und der inneren Organe einhergeht. Doch was ist die Ursache für die zerstörerischen Immun-Attacken?
„Die Frage ist bis heute nicht endgültig geklärt“, antwortet Prof. Jürgen Ruland, Direktor des Instituts für Klinische Chemie und Pathobiochemie der TUM. „Eine Schlüsselrolle bei der Regelung der Immunantwort spielen die sogenannten B-Zellen, eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen, die im Knochenmark gebildet werden. Während einer normalen Immunantwort bilden aktivierte B-Zellen Antikörper, die sich gegen körperfremde Substanzen richten. Eine fehlerhafte Aktivierung kann dazu führen, dass Antikörper gebildet werden, die sich gegen den eigenen Körper richten, und dadurch eine Autoimmunerkrankung auslösen. Die Aktivität von B-Zellen wird durch verschiedene Signale gesteuert, die wir noch nicht alle verstanden haben“, so Ruland.
Ein entscheidendes Signal, das die Aktivität der B-Zellen beeinflusst, hat er jetzt zusammen mit seinem Team identifiziert: „Das Ziel unserer Forschung war es, mögliche pathologische Rollen eines Proteins, das sich an der Oberfläche der B-Zellen befindet, zu charakterisieren. Dieser Rezeptor, der Receptor Activator of NF-κB, kurz RANK, ist bei Patienten mit Lupus erythematodes vermehrt aktiv. Wir wollten herausfinden, ob hyperaktive RANK-Rezeptoren tatsächlich die Auslöser dieser Erkrankung sind.“
In der Zelle funktionieren die RANK-Rezeptoren wie Schalter: Werden sie durch Signalmoleküle aktiviert, erzeugen sie in der Zelle ein Signal. Ein solches Signalmolekül ist RANKL.
Um herauszufinden, welche Auswirkungen hyperaktive RANK-Rezeptoren haben, verglich das Team im Labor gesunde Mäuse und transgene Tiere mit modifizierten RANK-Rezeptoren. Bereits nach wenigen Wochen erkrankte ein Großteil der Mäuse mit genetisch veränderten Rezeptoren an Lupus erythematodes, die Tiere in der Vergleichsgruppe blieben gesund. Damit war bewiesen, dass diese Autoimmunerkrankung durch eine Fehlregulation der RANK-Signale ausgelöst werden kann.
Und das war noch nicht alles: Die transgenen Mäuse, die Lupus erythematodes überlebt hatten, erkrankten nach ungefähr einem Jahr an einer chronischen lymphatischen Leukämie (CLL). „Dieses Ergebnis war für uns eine Überraschung, denn es zeigt, dass aktivierte RANK-Proteine auch mitverantwortlich für die Entartung von B-Zellen zu Lymphknotenkrebs sind“, sagt Maike Buchner, CLL-Spezialistin und Nachwuchswissenschaftlerin am Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie am Klinikum rechts der Isar der TUM.
Die neuen Forschungsergebnisse sollen künftig helfen, Autoimmunerkrankungen und lymphatische Leukämien zu therapieren. Therapeutische Antikörper, die das Zusammenspiel von RANK-Rezeptoren und RANKL-Liganden blockieren, wurden ursprünglich zur Behandlung von Osteoporose entwickelt und eingesetzt: Hier ist es das Ziel, einem Abbau des Knochengewebes entgegenzuwirken, denn auch dieser wird durch hyperaktive RANK-Rezeptoren ausgelöst. Mit diesen blockierenden Antikörpern konnten die Wissenschaftler Mäuse erfolgreich behandeln, die an chronischer lymphatischer Leukämie erkrankt waren. „Ob sich diese Therapie auch für Menschen eignet, müssen künftige klinische Studien zeigen“, betont Ruland.
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Technischen Universität München.
Bildquelle: Caleb Woods, unsplash