Ein Großteil derzeitiger Krebsimmuntherapien setzt auf die erworbene Immunabwehr. Doch die meisten Formen des kolorektalen Karzinoms sind dagegen resistent. Lässt sich das überwinden, indem man die angeborene Immunabwehr ankurbelt?
Das ist eine der Fragen, denen Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) auf den Grund gehen wollen, um Krebserkrankungen des Verdauungssystems künftig wirkungsvoller behandeln zu können. Ihr Projekt führt Expertisen in der klinischen Onkologie (Prof. Dr. Matthias Ebert, II. Medizinische Klinik), der Immunologie (Prof. Dr. Adelheid Cerwenka) und der Funktionellen Genomik (Prof. Dr. Michael Boutros, DKFZ und Medizinische Fakultät Mannheim) zusammen. Im Zusammenspiel hofft man, neue Zielstrukturen und Wirkstoffe für die erfolgreiche Intervention beim Darmkrebs identifizieren zu können, unter Zuhilfenahme des angeborenen Immunsystems.
Kernstück ist eine Screening-Plattform die es ermöglicht, im Hochdurchsatzverfahren Krebserkrankungen des Verdauungssystems auf die Wirksamkeit etablierter Mono- und Kombinationstherapien und neuer Wirkstoffe zu testen. Die Untersuchungen erfolgen an kleinen dreidimensionalen Darmkrebs-Organoiden, die mit verschiedenen Komponenten des angeborenen Immunsystems angereichert werden. Die Mini-Tumoren werden individuell aus Tumorstammzellen kultiviert, die aus Tumorbiopsien von Darmkrebs-Patienten gewonnen werden. Da Organoide viele Eigenschaften der Spender-Tumore beibehalten, dienen sie jeweils als individuelles Modell der Krebserkrankung.
Ziel der Untersuchungen ist es, das Mikromilieu des Tumors auf Angriff programmieren und den Tumor damit wirksam bekämpfen zu können.
Die Krebsimmuntherapie nutzt die Fähigkeiten des körpereigenen Abwehrsystems, um Krebszellen zu vernichten. Im Fokus steht dabei vor allem die erworbene Immunabwehr, die darauf getrimmt werden kann, spezifisch auf Tumorantigene zu reagieren. Immuntherapien, die auf dieser adaptiven Immunität beruhen, sind hochwirksam bei bestimmten Krebserkrankungen, vor allem bei solchen mit häufigen Mutationen, etwa aufgrund der sogenannten Mikrosatelliteninstabilität.
Gastrointestinale Krebserkrankungen wie das kolorektale Karzinom weisen jedoch nur in weniger als 15 Prozent diese Eigenschaften auf. Die gegenwärtig hauptsächlich erforschten Immuntherapien sind daher bei diesen Erkrankungen meist unwirksam. Zunehmend findet daher auch das angeborene Immunsystem Beachtung in der Bekämpfung von Tumoren. Es bildet eine unspezifische, schnelle und natürliche Abwehr gegen veränderte körpereigene Zellen und ist daher eine der ersten Verteidigungslinien im Kampf gegen Infektionen und Krebs.
Die Natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) des angeborenen Immunsystems können Krebszellen direkt abtöten und schonen dabei gesunde Zellen. „Das Potenzial dieser Zellen wird bislang nicht ausreichend gewürdigt und für die Krebstherapie genutzt“, sagt Prof. Cerwenka. „Mit unserem Ansatz verfolgen wir das Ziel, die angeborene Immunität, die in der Mikroumgebung des Tumors häufig durch immunsupprimierende Faktoren unterdrückt ist, gegen den Tumor scharfzuschalten.“
Ist die Plattform in dieser Form etabliert, kann sie künftig auch Untersuchungen mit T-Zellen, den Immunzellen des adaptiven Immunsystems, dienen. Ebenso ist es geplant, die Plattform auf andere Tumorentitäten zu erweitern.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Universitätsmedizin Mannheim.
Bildquelle: Mikael Häggström, M.D., Wiki Commons