Forscher haben vorgeburtliche Ursachen von Nierenerkrankungen erforscht und konnten dabei die biomedizinischen Grundlagen der Barker-Hypothese aufdecken. Außerdem fanden sie Hinweise für den klinischen Einsatz von Fetuin-A.
Eine Forschungsgruppe des Universitätsspitals Bern und der Universität Bern publiziert in Nature Communications eine umfangreiche Studie zu vorgeburtlichen Ursachen von Nierenerkrankungen bei Erwachsenen. Die Erkenntnis: Das Serumprotein Fetuin-A spielt eine zentrale Rolle bei der Bewältigung von lokalen Entzündungen und Mikroverkalkungen in der fötalen Niere, die Auswirkungen auf die Nierenfunktion im Erwachsenenalter haben. Die Studienergebnisse geben Hinweise auf einen klinischen Einsatz von Fetuin-A bei Nierenerkrankungen.
Laut der Barker-Hypothese nach Hales and Barker (1992, auch „Small Baby Syndrome“-Hypothese genannt) weisen Säuglinge mit zu geringem Körpergewicht ein erhöhtes Risiko auf, im Erwachsenenalter an kardiovaskulären Erkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes und chronischen Nierenerkrankungen zu leiden. Gemäß dieser Hypothese erlauben die fötalen Schutzmechanismen eine Anpassung an ungünstige intrauterine Verhältnisse (chronischer Sauerstoff- oder Nährstoffmangel) und ermöglichen das Überleben des Fötus. Gleichzeitig führen sie aber bis ins Erwachsenenalter zu bleibenden strukturellen und funktionellen Belastungen und Veränderungen. Die Studie klärt nun erstmals zentrale Mechanismen dieses Phänomens auf.
Das Forschungsteam hat ein Mausmodell entwickelt, das eine auf Sauerstoffmangel zurückzuführende Verringerung des Wachstums initiiert. Zunächst wurde entdeckt, dass eine fetale Hypoxie lokale Entzündungen und Mikroverkalkungen mit Gewebeschädigung in der Niere und dadurch eine schnellere Abnahme der Nierenfunktion im Erwachsenenalter verursacht. So konnte die Barker-Hypothese anhand experimenteller Befunde bestätigt werden. Gleichzeitig wird durch den Sauerstoffmangel das Gen für das Serumprotein Fetuin-A lokal in der Niere, also außerhalb des bisher bekannten Expressionsortes, aktiviert. Dies ist durchaus zweckmäßig, ist doch die bereits bekannte Funktion von Fetuin-A der Schutz des Gefäßsystems vor Verkalkung.
Weiter weist die Studie zahlreiche, bisher nicht bekannte Funktionen von Fetuin-A in der Niere nach. Dazu zählen die Verhinderung von Verkalkung und von fibrotischen Veränderungen des Nierengewebes, sowie die Hemmung von Entzündungsprozessen. Weiter konnte das Forschungsteam zeigen, dass Fetuin-A diese Funktionen nicht nur während der Entwicklung ausübt, sondern auch in vollständig ausgebildeten Nieren vor einer fibrotischen Verwachsung des Nierengewebes nach akutem Sauerstoffmangel schützt.
Die Vielseitigkeit der Wirkungsweisen von Fetuin-A hat zunächst ebenso überrascht, wie der Umstand, dass die Nieren davon ganz besonders geprägt sind. Es deutet viel darauf hin, dass Fetuin-A als Medikament sowohl bei Schäden durch Sauerstoffmangel in der Niere wie auch nach der Reperfusion einer ischämischen Durchblutungsstörung eine wichtige Rolle spielen könnte.
Erstautor Stefan Rudloff erläutert hierzu: „Für uns war die Entdeckung, dass Fetuin-A unter Sauerstoffmangel in der fötalen Niere gezielt, außerhalb der Leber, produziert wird, ein erster, überraschender Befund. Je weiter wir die Untersuchungen ausgedehnt haben, desto klarer wurde die Bedeutung von Fetuin-A nicht nur bei der Bewältigung von Schäden durch Sauerstoffmangel in der Fötalphase, sondern auch im Erwachsenenalter.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsspitals Bern. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Sigmund, Unsplash