Einer Forsa-Umfrage zufolge schluckt jeder zehnte Patient verschreibungspflichtige Arzneimittel, die ursprünglich anderen Personen verordnet wurden. Aufklärung tut Not – eine Herausforderung für alle Akteure im Gesundheitswesen.
Patienten scheuen keine Mühen, wenn es um verschreibungspflichtige Medikamente geht. Immer wieder sind Rx-Präparate bei Online-Auktionsplattformen aufgetaucht – sehr zum Ärger von Pharmazeuten. Der Verein „Freie Apothekerschaft“ fand in letzter Zeit mehr als 200 dieser Angebote und veranlasste eine Löschung beim jeweiligen Betreiber des Portals. Wie hoch die Dunkelziffer ist, weiß aber niemand. „Gefragt sind jetzt sowohl das Gesundheitsministerium als auch das Justizministerium und das Ministerium für Verbraucherschutz“, so Dr. Helma Gröschel, erste Vorsitzende der „Freien Apothekerschaft“, in einer Mitteilung. „Denn selbst Minderjährige können derzeit über die Internetportale völlig unproblematisch an verschreibungspflichtige Arzneimittel wie beispielweise die Antibabypille gelangen.“ Jetzt offenbaren sich weitere Schlupflöcher – über Medikamente aus „zweiter Hand“.
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat nach einer Zufallsstichprobe 1.009 Personen befragt, davon 501 TK-Mitglieder, 450 Mitglieder anderer gesetzlicher Krankenkassen und 58 privat Versicherte. Genau elf Prozent aller TK-Versicherten und 16 Prozent aller Mitglieder weiterer GKVen beziehungsweise PKVen gaben an, in letzter Zeit mindestens ein Mal Rx-Präparate eingenommen zu haben, die nicht für sie bestimmt waren. Fast jeder fünfte 18 bis 39-Jährige bekam Pillen aus „zweiter Hand“. Entsprechenden Therapieversuchen in Eigenregie ging keine ärztliche Konsultation voraus. „Offenbar ist vor allem Jüngeren nicht bewusst, dass die willkürliche Einnahme von Arzneimitteln zu erheblichen Nebenwirkungen führen kann. Zudem können auch Wechselwirkungen mit anderen Wirkstoffen gefährlich werden“, sagt Tim Steimle, Leiter des Fachbereiches Arzneimittel der TK. „Wir sehen hier einen erheblichen Aufklärungsbedarf für den verantwortungsbewussten Umgang mit Medikamenten.“
Nur wer wird tatsächlich aktiv? Zwar hat die Bundesregierung einen „Aktionsplan AMTS“ ins Leben gerufen, um Patienten vor vermeidbaren Schäden durch Arzneimittel zu bewahren. Inhaltlich geht es jedoch primär um optimierte Pharmakotherapien für chronisch kranke Menschen. Um zu verhindern, dass Präparate in der Familie oder im Freundeskreis weitergegeben werden, müssten alle Akteure an einem Strang ziehen: Politiker, GKVen, Hersteller, Importeure, Apotheker und Ärzte.