Während des Lockdowns im Frühjahr 2020 hat sich in Deutschland die Zahl der Kinder mit einer lebensbedrohlichen Stoffwechselentgleisung aufgrund eines unentdeckten Diabetes sprunghaft verdoppelt.
Das belegt eine Studie, die im Journal of the American Medical Association (JAMA) veröffentlicht wurde. Um der Entwicklung entgegenzuwirken, startet die Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diabetologie (AGPD) der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) gemeinsam mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) eine Aufklärungskampagne zur Früherkennung eines Typ-1-Diabetes. Kinder- und Jugendärzte sollen Eltern künftig bei den Vorsorgeuntersuchungen U6 und U7a über Warnzeichen der Erkrankung informieren.
Wie neue Daten zeigen, ist die Zahl einer diabetischen Ketoazidose (DKA) bei Kindern während des ersten Lockdowns stark angestiegen: Vom 13. März bis 13. Mai 2020 hat sich die DKA-Rate mit 238 Fällen gegenüber den Vergleichszeiträumen der Vorjahre nahezu verdoppelt; insbesondere die Fallzahl der Vorschulkinder mit einer schweren Stoffwechselentgleisung ist angestiegen. Die Anzahl der Neuerkrankungen von Kindern mit Diabetes Typ 1 hat sich jedoch insgesamt nicht verändert.
Die Gründe für die steigenden DKA-Zahlen während der Pandemie sind vielfältig. „Ein Faktor ist vermutlich die Angst vor einer Ansteckung mit COVID-19“, erklärt Dr. Thomas Kapellen. „Viele Eltern scheuen deshalb womöglich den Besuch einer Kinderarztpraxis.“ Weitere Hintergründe müsse man aber noch näher erforschen.
Kinderärzte sollen den Eltern künftig bei jeder U6- und U7a-Vorsorgeuntersuchung, die Ende des ersten sowie dritten Lebensjahres stattfinden, kurz die vier Warnzeichen des Typ-1-Diabetes erklären. „Dazu gehören ständiger Durst, häufiges Wasserlassen, Gewichtsabnahme und stetige Müdigkeit“, erläutert Dr. Martin Holder von der AGPD.
Auch sollen die Ärzte den Eltern einen Flyer mit wichtigen Informationen über eine Diabeteserkrankung mitgeben. „Ziel der Kampagne ist es, die Eltern verstärkt für die Warnzeichen einer Diabeteserkrankung und die Symptome einer Ketoazidose zu sensibilisieren“, ergänzt Holder, der in der Abteilung Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie am Klinikum Stuttgart, Olgahospital, tätig ist. „Aus der Erfahrung vergangener Präventionskampagnen wissen wir, dass eine solche Aufklärung die Häufigkeit einer diabetischen Ketoazidose stark reduziert", betont Holder.
Prof. Andreas Neu aus Tübingen warnt: „Bleibt eine Ketoazidose unbehandelt, kann sie schlimmstenfalls tödlich enden.“ Der Vizepräsident der DDG verweist zudem darauf, dass zu wenig bekannt ist, dass Typ-1-Diabetes zu den häufigsten Stoffwechselerkrankungen im Kindesalter zählt. „Diabetes ist keine Alterskrankheit, sie kann auch Kinder jeden Alters treffen.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Kelly Sikkema, unsplash