Benzodiazepine stehen im Verdacht, die Entstehung neurologischer Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer zu begünstigen. Wie die Studienlage derzeit aussieht, lest ihr hier.
Benzodiazepine sind als Schlafmittel weit verbreitet. Neben der Gefahr der Abhängigkeit bergen sie jedoch weitere Risiken wie ein erhöhtes Sturzrisiko in Folge von Muskelrelaxierung und amnestische Reaktionen. Besonders bei neurologischen Erkrankungen wie Parkinson und Demenz sollte eine Verordnung kritisch hinterfragt werden.
Bei Morbus Parkinson und Demenz ist das neurochemische Gleichgewicht aus der Balance geraten. Die Folge können Schlafstörungen und Depressionen sein. Laut einer Studie von Leng et al. kann bei Parkinson ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus sogar ein Frühsymptom darstellen.
Ein häufiges Einschlafen am Tag und ein gestörter Nachtschlaf treten häufig lange vor der Manifestation der Erkrankung auf. Probanden mit extrem gestörten Schlaf-Wach-Phasen hatten gegenüber Personen mit einem weitgehend normalen Tagesablauf ein dreifach höheres Risiko, in den kommenden elf Jahren an Parkinson zu erkranken. Eingeschlossen in die Untersuchung waren 2.930 Männer mit einem Durchschnittsalter von 76 Jahren. Etwa 40 Prozent der Parkinson-Patienten entwickeln eine Parkinson-Demenz (PDD), deshalb sollte die Pharmakotherapie beider Erkrankungen vergleichend betrachtet werden.
Besonders Benzodiazepine werden häufig als Hypnotika verordnet. Gerade die Gruppe der Z-Substanzen ist jedoch in Verdacht geraten, die Inzidenz von Demenzerkrankungen zu erhöhen. Z-Substanzen sind chemisch betrachtet keine Benzodiazepine, greifen aber an den selben Bindungsstellen an, den GABA-Rezeptoren. Das Risiko für eine Abhängigkeit ist vergleichbar, die Wirkdauer und damit das Risiko eines Hangovers jedoch vergleichsweise geringer.
Laut Leitlinie Insomnie bei neurologischen Erkrankungen wie Morbus Parkinson können Eszopiclon, Doxepin, Zolpidem, Trazodon, Ramelteon und Melatonin eingesetzt werden. Die subjektive Schlafqualität lässt sich mit dem Antipsychotikum Pimavanserin und den Antidepressiva Venlafaxin und Nortriptylin verbessern. Duloxetin, Quetiapin und Clozapin haben keinen Effekt auf die Insomnie.
Eine Studie von Richardson et al. wies explizit auf die Risiken der Z-Benzodiazepine wie Zopiclon, Zolpidem und Zaleplon hin. Die Autorengruppe fand Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Stürze, Frakturen und ischämische Schlaganfälle bei Menschen mit Demenz unter der Therapie mit Z-Substanzen. Die beobachteten Inzidenzen waren ähnlich oder größer als die für die Verschreibung höherer Dosen von Benzodiazepinen.
Die empfohlene Tagesdosis liegt bei Zopiclon bei 7,5 mg pro Tag, bei älteren Menschen sollte die Therapie mit 3,75 mg begonnen werden, empfiehlt die Fachinformation. Auch bei Diazepam ist zu lesen, dass bei älteren Menschen die Startdosis bei 2,5 mg liegen sollte.
Das vergleichbare Sturzrisiko in der Z-Medikamenten- und der Schlafstörungs-Gruppe könnte darauf zurückzuführen sein, dass Harninkontinenz und Alkoholkonsum in der Schlafstörungs-Gruppe häufiger vorkommen. Die Kodierung von „Schlafstörung“ war oft vage und kann andere Zustände als Schlaflosigkeit repräsentieren. In der zweiten Gruppe erhielten die Patienten Z-Medikamente ohne näher beschriebene Indikation vom Hausarzt verordnet. „Bei Demenzpatienten sind höhere Dosen von Z-Medikamenten mit einem erhöhten Fraktur- und Schlaganfallrisiko verbunden, ähnlich oder sogar häufiger als bei höher dosierten Benzodiazepinen.“ Somit sollten Z-Substanzen bei Demenzpatienten möglichst vermieden und nicht-pharmakologische Alternativen bevorzugt werden, raten die Wissenschaftler.
Was in der Studie nicht untersucht wurde, waren Gender-Aspekte. Frauen bauen Zolpidem erheblich langsamer ab als Männer. Das ergab eine von der amerikanischen Zulassungsbehörde (FDA) durchgeführte Untersuchung. Daher hat die FDA die zugelassene Dosis für Frauen bei schnell freisetzendem Zolpidem von 10 auf 5 mg reduziert. Das geringere Risiko bei Männern liegt mit am Testosteron, welches die enzymatische Aktivität des abbauenden Cytochroms CYP 3A4 erhöht.
Der vermeintliche Vorteil der Z-Substanzen im Vergleich zu den üblichen Benzodiazepinen wie Diazepam oder Midazolam ist die kürzere Halbwertzeit. Halbwertzeit ist jedoch nicht mit Wirkdauer und Affinität am Rezeptor gleichzusetzen.
Beruhigungs- und Schlafmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine, die auch bei Angstzuständen verordnet werden, könnten an den steigenden Alzheimer-Zahlen beteiligt sein. Einer Studie zufolge erhöhen die Medikamente das Risiko für Demenz um 50 Prozent. Bereits eine kurzfristige Einnahme genüge, um das Alzheimer-Risiko wachsen zu lassen.
Eine neuere Studie sieht hingegen keinen Zusammenhang zwischen Benzodiazepinen und Demenzerkrankungen. „Zusammenfassend zeigt diese Arbeit unter der Annahme eines kausalen Zusammenhangs, dass die Einhaltung der aktuellen Empfehlung bezüglich der Dauer der Einnahme von Benzodiazepinen zu einer nicht vernachlässigbaren Verringerung der zukünftigen Demenzbelastung führen könnte“, so die Autoren.
Hinsichtlich der Verordnung von Benzodiazepinen und neurologischen Erkrankungen sind noch viele Fragestellungen ungeklärt. Leider existieren keine wirklichen Alternativen im Bereich der Hypnotika. Antihistaminika und Neuroleptika sind auch nicht frei von Risiken.
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